Zur Wahl 2025 (III) – Innere Unruhen
Am 23.02.2025 wählt Deutschland einen neuen Bundestag und im Endspurt vor der Wahl melde ich mich wie üblich wöchentlich zu Wort. Vorige Woche schrieb ich über die besonderen Umstände, unter denen Politik derzeit stattfindet. Nun möchte ich das ein wenig vertiefen: Wir stehen am Rande innerer Unruhen, wobei ich das Wort Bürgerkrieg noch nicht bemühen möchte.
Nun demonstriert „eine winzige Minderheit von enthemmten Extremisten,“ „Bürger, die bisher ein ganz normales Leben geführt haben, und die sich [...] zu Hass- und Gewaltexzessen hinreißen lassen.“ In Anführungszeichen stehen die zusammengefügten Worte von Bundeskanzler Scholz und Oppositionsführer Merz. Welch präzise Einordnung der Vorgänge dieser Tage, wären diese Äußerungen nicht bereis drei Jahre alt. Doch während damals Bürger gegen die Einschränkung elementarer Grundrechte demonstrierten, ist der Anlass nun, dass eine Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag für einen folgenlosen Antrag der CDU gestimmt hat. Daneben – und das gab es zu den Corona-Demos nicht – wird landesweit von Übergriffen auf Geschäftsstellen der CDU berichtet, von tätlichen Angriffen auf CDU-Wahlkämpfer und wegen der Sicherheitslage abgesagten Wahlkampfaktivitäten.
Man muss sich diese Vorgänge wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Da bringt die Union (nicht die AfD!) einen Antrag ein, um mit einem drängenden Problem umzugehen. Dann stimmt eine Mehrheit der vom Volk demokratisch gewählten Abgeordneten für einen Antrag, der nicht mehr als eine Handlungsaufforderung an eine unwillige Regierung ist, also effektiv rein garnichts ändert. Jetzt heißt es „Tausende Menschen demonstrieren in SH für Demokratie“ (NDR). Die Demonstrationen von letztem Wochenende wurden sofort von wohlwollender Berichterstattung flankiert: , „Scharfe Kritik und beißender Spott“ (Tagesspiegel), „Wir sind hier, weil wir Angst haben“ (Zeit), alles Zitate aus Überschriften oder Anreißer, sind nur drei schnell gefundene Beispiele von Dutzenden derartiger Artikel.
Was wir – vor allem aber die Union – nun erleben, ist nur ein kleiner Vorgeschmack dessen, was blüht, sollte es irgendwer wagen, eine Bundesregierung unter Duldung oder gar Beteiligung der AfD bilden. Die Drohung wirkt: Sofort kehrt er zur alten Veweigerungshaltung zurück und wiederholt den alten Fehler, der schon der SPD auf die Füße gefallen ist. Sollte die CDU in irgendeiner Form mit der AfD zusammenarbeiten – und das wäre bereits eine Duldung eines CDU-Kanzlers durch die AfD – wird jede weitere dann Lügen gestrafte derartige Äußerung von Merz Wind inden Segeln seiner politischen Gegner sein. Innerparteilich schart eine Altkanzlerin ihre Jünger um sich, ihren ungeliebten Nachfolger abzusägen, und auf den Straßen wird der Mob toben. Sie werden versuchen, das Konrad-Adenauer-Haus zu besetzen, CDU-Geschäftsstellen verwüsten und beschmieren und Abgeordnete bedrohen. Jede Bewegung im öffentlichen Raum würden für Merz und seine Gefolgsleute zum Spießrutenlauf. Die Journalisten werden dazu jedoch nicht Bilder der Zerstörung, sondern beeindruckender Menschenmassen zeigen, die mit bunten Bannern und schlauen Sprüchen durch die Paradestraßen von Berlin ziehen.
Gleichwohl, die Realität lässt sich nicht dauerhaft verleugnen. In den letzten zehn Jahren wurden in Deutschland 2,7 Mio. Erstanträge auf Asyl gestellt. Insgesamt zählte das Statistische Bundesamt für die Jahre 2014-2023 fast 7 Mio. Zuwanderer nach Deutschland. Trozt demographischem Wandel und vielbeschworenem Rückgang der Bevölkerung wuchs die Einwohnerzahl Deutschlands in zehn Jahren von 81 auf 84,5 Mio. Menschen. Und mit den vielen Zuwanderern kamen große Probleme ins Land, eines davon Gewaltkriminalität. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass diese Probleme schnell von selbst wieder verschwinden, stattdessen wird es immer wieder Tote geben, Zufallsopfer von Amokläufern, darunter auch Kinder. Und mit jedem weiteren Attentat wird der Zorn wachsen, wenn zugleich erkennbar weiterhin nichts getan wird, die Ursachen abzustellen. Dieser Zorn wird sich erwartbar in zwei Richtungen wenden: Erstens Ausländer, die mehrheitlich selbstverständlich nichts mit den Attentaten zu tun haben und davon nicht weniger abgestoßen sind als wir, und zweitens die Politiker der Altparteien, die sich einer Begrenzung der Zuwanderung und der Abschiebung illegaler Migranten verweigern. Und dieser Zorn wird irgendwann handgreiflich werden.
Hinzu kommt, dass sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland immer weiter verschlechtert, was sich über kurz oder lang auch für den einzelnen Bürger bemerkbar machen wird. Zugleich bergen diverse längst beschlossene Gesetze tickende Zeitbomben, etwa der CO2-Zertifikathandel für Benzin und Heizöl ab 2027 oder das berüchtigte Heizungsgesetz, die zu Verteuerung, Verknappung und sozialen Härtefällen, ja regelrecht in den Ruin gestürzten Menschen führen werden. Das mögen in Zahlen nicht einmal viele sein, doch diese werden sich quer durch die Gesellschaft verteilen, darunter auch Menschen, die sich als hart arbeitende Mitte der Gesellschaft fühlen. Wenn die Regierung diese Mehrbelastung durchschnittlich durch ein „Klimageld“ ausgleicht, wird dieses vielleicht ausreichen, die Härtefälle vor dem Elend zu bewahren, wird es nicht genügen, das Gerechtigkeitsempfinden zu befriedigen. Noch ist der Unmut halbherzig; erst wenn diese Gesetze spürbar werden, kommt es zum Aufschrei.
Wie man es dreht und wendet: Unruhen liegen in der Luft. Von der einen Seite drohen selbsternannte Demokraten glaubwürdig mit einem Aufstand, falls die Politik was ändert. Auf der anderen Seite droht ein Aufstand, wenn die Politik nichts ändert. Dabei befinden sich die Parteien von CDU bis Grüne in einem besonderen Dilemma: Ganz überwiegend sind sie unmittelbar an der schlechten Lage schuld; schließlich regierten ausschließlich sie dieses Land und trafen all jene Entscheidungen, deren Auswirkungen wir nun spüren oder absehbar spüren werden. Änderung hieße Selbstkritik. Das ist schwer, gelingt nicht allen, und schon gleich garnicht allen gleichzeitig. So fehlt es unter diesen Parteien an einer Mehrheit, die zu Änderungen bereit wäre. Zugleich wurde der Ausweg, stattdessen mit anderen Parteien als CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen zu koalieren, politisch blockiert (bei der CDU übrigens auch hinsichtlich Linkspartei und BSW); tun sie es doch, gibt es Ärger. Der wahrscheinlichste Entwicklung ist damit, dass die Dinge sich weiter hochschaukeln – auf die eine, oder die andere Weise.