Zur Größe der Panum Bereiche: Ich habe in einem Buch von 1990 einen wichtigen Artikel Collelewijn, Erkelens etc wiedergefunden. Der Originalartikel ist angehängt. und auch eine Google Scholar Liste, wo dieser Artikel zitiert wurde. http://scholar.google.de/scholar?q=Stereo+Panum+Erkelens+Caspar&btnG=&hl=de&as_sdt=0
Die Authoren geben eine kritische Übersicht über die Vermessung von Panum Bereichen. Sie betonen, dass für Vergenzfehler nicht der üblicherweise gemessene Panum_Bereich (mit präsentiertem Fixationsreiz als Referenz) relevant ist, sondern die absolute Disparität zwischen den beiden Netzhautbilden. Sie testen Stereosehen und finden solche „absoluten“ Panumbereiche von bis zu 2 Grad. Dies wäre ein gutes Argument für unsere großen oFDs. Wir müssen die im Detail noch durchdenken und eventuell in künftigen eigenen Stereomessungen einbeziehen.
Angeregt durch diese unkonventionelle Denkweise von Erkelenz habe ich dann noch von einer ganz anderen Seite über die sFD nachgedacht:
1.) Von sakkadischen Augenbewegungen kennen wir dies: wenn wir Sakkaden machen, dann erscheint uns dennoch die Welt stabil, weil der Verschiebung des Netzhautbildes durch die Sakkade neuronal verrechnet wird, so dass alle Objekte fest im Raum erscheinen. Was heiß dies für die Vergenz? Im natürlichen Sehen ist der Kopf frei, bewegt sich immer in gewissen Maße. D. h. der Sehabstand zu einem Objekt ändert sich, somit der absolute Vergenzreiz. Weiterhin schwankt die Vergenzposition der Augen rein physiologisch, wie die objektiven Messungen zeigen. Trotz dieser Variabilität nehmen wir ein Objekt im Raum stabil ortsfest wahr. Es gibt somit auch vergenzmäßig einen Mechanismus der Wahrnehmungsstabilisierung. Denn gäbe es dies nicht, so würde unsere Geradeaus-Wahrnehmungsrichtung (entsprechend dem gedachten Foveazentrum) um das Fixierobjekt schwanken und so einen schwankenden Seheindruck ergeben.
2.) Was uns die haploskopischen Noniuslinien anzeigen, das ist die Lage der monokularen Linien relativ zum fusionierten Sehobjekt. Das Zentrum des Fusionsobjekt kann als Null-Referenz für die Messung mit den Noniuslinien dienen, wenn man die monokularen Komponenten der sFD betrachtet also sFDre und sFDli, jeweils beurteilt relativ zum Zentrum des Fusionsreizes. Wir hatten in einer studentischen Pratikumsarbeit einmal gezeigt, dass meist gilt: (sFDre + sFDli) stimmt gut überein mit einer sFDges, letztere aus einer Messung, wo wie es meist tun: Beurteilung der beiden Noniuslinen relativ zueinander. Dies Beurteilungen von Noniuslinien basieren auf der kortikalen Repräsentation dieser Reize, und zwar unter der Wirkung der obigen Vergenz-Wahrnehmungsstabilisierung, zunächst unabhängig von der motorischen Winkelstellung der Augen. Die aus der kortikalen Repräsentation resultierende Wahrnehmung erfolgt aus der Position des Zyklopenauges (evtl. unter Einfluss der Augendominanz?). Somit misst sich der Noniusversatz als Winkel aus der Zyklopenaugenposition, arctan (Versatz d/Sehabstand D). Unsere bisherige Formel als Fehlwinkel relativ zum perfekten Vergenzwinkel ist für den Fall der Fusion vielleicht konzeptionell nicht zu zutreffend, obwohl sie praktisch dieselben Werte liefern würde. Die bisherige Formel gilt sicher für Situation der Nicht-Fusion: Dunkel-Vergenz, Heterophorie, Sprungänderungen der Vergenz.
3.) Wäre die obige Vergenz-Wahrnehmungsstabilisierung perfekt, so müssten die Richtungswerte der beiden Augen mit der Richtung des Fusionsobjektes übereinstimmen. Könnte eine sFD=0 bedeuten, dass die neuronale Vergenzblickstabilisierung perfekt ist? Somit könnte ein Noniusversatz bedeuten, das sie nicht perfekt ist? Die bisher von anderen und uns übernommene Interpretation von (oFD-sFD) = Korrespondenzverschiebung wäre dann neu interpretatiert als neuronal Vergenz-Wahrnehmungsstabilisierung ?
Es wäre funktional etwas anderes als die MKH-Korrespondenz-Verschiebung, oder die unter Prismenbelastung von Fogt&Jones, Schor beschriebene Korrespondenzverschiebung.
Es geht also um die Interpretation der schwer experimentell zugänglichen verschiedenen neuronalen Kompensationsmechanismen in verschiedenen Sehsituationen. Dies sind natürlich wiederum nur Interpretationen. Ob es Experimente zur Testung dieser Hypothesen geben könnte?
4.) Diese hypothetischen sensorischen neuronalen Mechanismen der Vergenzwahrnehmungsstabilisierung sind zunächst unabhängig vom motorischen Vergenzwinkel, also oFD. Die nur schwachen Korrelationen oFD versus sFD kommen vielleicht zustanden, dass die Richtung der oFD (exo oder eso) sich auswirken könnte auf die Richtung der nicht perfekten Vergenz-Wahrnehmungsstabilisierung ?
5.) Diese hier neuen Gedanken treffen vielleicht speziell für Situtionen der Fusion zu. Davon abzugrenzen sind Sitautionen ohne Fusion: Dunkelvergenz, Heterophorie, Vergenzänderungen während Vergenzsprüngen. Hier greift die übliche Interpretation, dass die Foveamitte als Korrespondenzzentrum uns die motorische Augenstellung anzeigt. Diese Situationen sind jedoch unnatürliche optometrische Testsituationen. Im natürlichen Sehen wird fusiert, hier müssen motorische Vergenzvariabilitäten ausgegleichen werden, auf die Vergenzwelt, der Tiefeneindruck stabil bleibt. Dazu braucht man einen neuronalen Mechanismus.