Was sagt uns das Compact-Verbot?
Innenministerin Faeser führt den Kampf gegen alle, die sie für Verfassungsfeinde hält, mit harten Bandagen: Erst Prinz Heinrich XIII., der mutmaßliche Kopf einer Gruppe von Wirrköpfen, die angeblich kurz davor standen, einen Umsturz zu versuchen. Dann die angebliche Remigrations-Konferenz in Wannsee-Nähe, bei der stark zu vermuten ist, dass die Falschberichterstattung durch Faesers Inlandsgeheimdienst angestiftet wurde. Nun das Verbot des „Compact“-Magazins des bekannten rechten Publizisten Jürgen Elsässer, mittelbar durch Verbot der zugehörigen GmbH. Alles unter reger orchestrierter Presseberichterstattung; die TAZ schreibt sogar, dass sie vorab informiert wurde.
Interessanterweise war das Presseecho für Faeser aber dürftiger als beim „Rollatorputsch“. In manchen Mainstream-Presseorganen klingen leise Zweifel durch, ob die Aktion sinnvoll ist (siehe TAZ), vielleicht rechtlich oder gar moralisch fragwürdig. Die linke, vielleicht gar linksextreme „Junge Welt“ stellt sich gar offen gegen das Verbot des rechtsextremen Compact-Magazins. Sofern Nancy Faeser das wahrnimmt, dürfte sie sich ziemlich erschrocken haben. Wenn sie jedoch nach Bestätigung sucht, wird sie auch solche finden.
Rechtlich dürfte die jüngste Aktion unhaltbar sein. Nach bisheriger Lesart erlaubt das Grundgesetz auch Meinungen, die dem Grundgesetz nicht entsprechen oder unsere Staatsordnung ablehnen. Auch die Idee, dass das Vereinsrecht die Pressefreiheit von Artikel 5 GG aushebeln könne, ist abwegig. Nicht zuletzt ist auch die gewählte Maßnahme, direkt ein Verbot des gesamten Unternehmens, dass das Magazin herausgibt, inklusive Einziehung der Vermögenswerte, so drastisch, dass sie – wenn Elsässers Behauptung stimmt, dass Compact bisher nie für irgendwelche Berichte rechtlich vor Gericht verurteilt wurde – völlig unverhältnismäßig ist. Eine gerichtliche Auseinandersetzung darüber wird es nun sicherlich geben. Es ist anzunehmen, dass Elsässer versuchen wird, Eilrechtsschutz zu erlangen, sodass schon bald mit ersten gerichtlichen Befassungen zu rechnen ist. Ich bin gespannt, was dabei rauskommt.
Elsässers Blatt muss niemand eine Träne nachweinen, da hat die Junge Welt schon recht: Seine Gegner schon garnicht, denn jetzt ist es erstmal weg vom Markt, und seine Leser auch nicht, da die Lücke sicherlich rasch geschlossen wird, und sie in Elsässer jetzt einen Märtyrer haben, dem die ganze Aktion ungekannte Bekanntheit verschafft hat. Sollte das Verbot später aufgehoben werden, geht die Aktion vollständig nach hinten los. Die einzige zuverlässige Wirkung, die es hat, ist Abschreckung von Oppositionellen – doch das hätte man mit weniger juristischem Risiko haben können. Weil die Aktion vordergründig sinnlos erscheint, lädt sie dazu ein, über ihre Hintergründe nachzudenken.
Handelt die Regierung aus Angst? Wer Angst hat, macht Fehler; wer in Panik handelt, wägt Chancen und Risiken nicht mehr ab. Da wird schonmal jemand eingesperrt oder etwas verboten, der oder das einem Angst macht, ohne die Rechtmäßigkeit oder Zweckmäßigkeit der Aktion zu prüfen. „Wenn ich hänge, Herr Präsident, dann habe nicht ich die Angst, sondern Sie!“ (Josef Wirmer), lautet ein fast 60 Jahre altes Zitat, dass mir dazu gerade heute in den Sinn kommt. Für jeden Gegner der Regierung ist der Gedanke verlockend, die Regierenden so in die Enge getrieben zu haben.
Doch ich muss Sie enttäuschen: Das war keine Panikaktion, sondern das brauchte und hatte Vorbereitung. Wäre die Aktion chaotisch gelaufen, hätte man es noch glauben können, doch es lief geordnet ab, und war sicherlich mindestens Tage, wahrscheinlich Wochen im voraus vorbereitet worden. Genug Zeit, vorher über die Folegen nachzudenken, und ggf. von der Aktion wieder Abstand zu nehmen. Außerdem: Warum gerade Compact? Hätte man handstreichartig die AfD, oder irgendeine damit unmittelbar verwobene Organisation, etwa die Desiderius-Erasmus-Stiftung, verboten – dann wäre Panik plausibel. Aber Compact mit seiner Auflage von 50.000? Hat man von Compact zuletzt irgendwas besonderes gehört? Ich nicht. Sicher, Maria Sacharowa hat ihm ein Interview gegeben, und behauptet, dies sei der Auslöser – ich habe Zweifel. Hätte der Verfassungsschutz von dem Interview vorab Kenntnis gehabt, ergäbe die Aktion nur vor dessen Veröffentlichung Sinn.
Ging es um ein Signal? Das glaube ich schon eher. Von der Maßnahme gehen zwei Botschaften aus: Erstens an alle regierungskritischen Journalisten: „Passt auf, was ihr schreibt!“ Zweitens an alle, die Compact abonniert hatten oder geschäftliche Beziehungen dazu hatten: „Wir kennen Euch, und sind bereit, euch wirtschaftlich zu vernichten.“ Immerhin sind ja jetzt auch alle Geschäftsbeziehungen von Compact, also auch Abonnenten, den Behörden bekannt. Drittens an die restliche Bevölkerung: „Sehr her, wir kämpfen gegen Staatsfeinde. Wir tun etwas!“ Für letzteres rechnet man mit Applaus, auch wenn der nun etwas verhalten ausfiel. Diese indirekten Wirkungen dürten viel näher an der Absicht des Innenministeriums sein, als das Verschwinden eines kritischen Magazins an sich.
Wenn eine Regierung jedoch solche Signale an sein Volk aussenden will, scheint jedoch durchaus die Urangst der Herrschenden vor Widerstand und Machtverlust erwacht zu sein. Doch noch paart sie sich mit Hybris, dem demonstrativen Glauben an eine eigene moralische Überlegenheit und den arroganten Gebrauch der ihnen gegebenen Machtmittel, mit dem Ziel, ein paar als Feinde markierte Wirrköpfe zu vernichten. Das tatsächliche Ende unserer Regierenden steht aber erst bevor, wenn sie panisch handeln. Das werden sie, wenn die Bürger anfangen, Willen und Maßnahmen der Regierung zu unterlaufen und sabotieren, statt sich murrend zu fügen.