PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

Während beispielsweise der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Laschet seit geraumer Zeit fordert, über die Schritte ab dem 20. April nachzudenken, verweigerte sich eine ganze Gruppe von Politikern, angeführt von Kanzlerin Merkel, bislang dieser Fragestellung, wenn auch mit abnehmender Hartnäckigkeit. War das vernünftig? Um das zu beantworten, sollte man sich vor Augen halten, dass es eigentlich um drei Gruppen von Fragen geht:

  1. In welcher Situation können die Maßnahmen teilweise oder vollständig aufgehoben werden, in welche Situation kann man kommen, die einen vielleicht zwingt, Maßnahmen aufzuheben oder andere zu ergreifen?
  2. Wie hebt man die Maßnahmen auf, sodass der Erfolg nicht gefährdet wird? Wie kann eine größtmögliche Wirkung bewahrt werden bei gleichzeitig größtmöglicher Entlastung von den Nebenwirkungen der Einschränkungen?
  3. Wie kommuniziert man über die Aufhebung der Maßnahmen, um Vertrauen und Akzeptanz zu schaffen oder zu bewahren?

Setzt man sich mit diesen Fragen auseinander, wird deutlich, dass Laschet recht hatte, als er frühzeitig äußerte, dass man über eine Exit-Strategie nachdenken muss:

Wenn eine Regierung die drastischsten Eingriffe in das öffentliche Leben ausübt, die es je seit Gründung der Bundesrepublik gegeben hat, dann hat sie hoffentlich gute Gründe dafür. Solche können nicht allein in der Katastrophalität der Lage bestehen, denn um eine Maßnahme zu rechtfertigen, muss sie verhältnismäßig sein: Sie muss eine erwartete Wirkung haben, die in einem positiven Verhältnis zu ihren Kosten steht – eine Maßnahme, die nicht wirkt, ist nicht gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang hat eine Regierung auch die Pflicht, sich über Szenarien Gedanken zu machen, unter denen eine Veränderung der Eingriffe notwendig wird, weil sich das Verhältnis zwischen Kosten einer Beibehaltung und erwartetem weiteren Nutzen mit der Zeit verschiebt – wenn eine Maßnahme keine weitere Wirkung mehr erwarten lässt, entfällt ihre Rechtfertigung.

Damit müssen solche Maßnahmen gewissermaßen eine intrinsische Exit-Strategie vorsehen; sie müssen dazu dienen, dass man sie später nicht mehr benötigt. Anders ausgedrückt, wer solche Maßnahmen ergreift, muss auch darüber nachdenken, wann er sie aufheben kann oder muss, bzw. wie er sie wieder aufheben kann. Es braucht vernünftige und transparente Kriterien, um den Erfolg der Maßnahmen, und deren weitere Notendigkeit einzuordnen. Zu glauben, dass unsere Regierung das getan hat, wäre optimistisch – oder gab es beispielsweise je einen Militäreinsatz der Bundeswehr, wo eine Exit-Strategie deutlich geworden wäre? Insofern mag auch Planlosigkeit hinter der Weigerung stecken, eine Exit-Strategie zu debattieren.

Eine Lockerung der Maßnahmen muss darauf abzielen, so viel Normalität zu schaffen, wie möglich ist, ohne die Wirksamkeit der Maßnahmen signifikant zu gefährden. So sind Verbote von Großveranstaltungen in engen Räumen oder des Betriebs von Diskotheken sicherlich vergleichsweise wirksamer als die Schließung normaler Geschäfte. Gleichzeitig besteht in letzterem insgesamt die gravierende Beeinträchtigung des Lebens vieler Menschen als ein vorübergehender Verzicht auf den Besuch von Fußballstadien, Partys und Konzerten. Deshalb ist es wichtig, bei einer Lockerung von Maßnahmen durchdacht und planvoll vorzugehen, deshalb muss diese Frage von den Entscheidungsträgern diskutiert werden. Und das muss, da wir in einer Demokratie leben und hier Interessen und Standpunkte abgewogen werden müssen, auch mit angemessener öffentlicher Beteiligung getan werden.

Eine solche Kommunikation muss natürlich auf eine vernünftige Weise geschehen. Keinesfalls darf sie, wie bei Schabowskis berühmter Presseerklärung zur Öffnung der Mauer, dazu führen, dass der falsche Eindruck entsteht, dass ab sofort allgemeine Sorglosigkeit wieder möglich sei. Doch die harten Einschnitte im Leben vieler Menschen, sei es geschäftlich für viele Unternehmer, beruflich für die Menschen in Kurzarbeit, familiär durch die unverhoffte Anwesenheit der Kinder zu Hause, oder allgemein in der Freizeitgestaltung, werden nicht unbegrenzt auf Akzeptanz stoßen. Eine klare Perspektive, dass die Einschränkungen mittelfristig wieder enden werden, mit klaren Kriterien und einer nachvollziehbaren Vorgehensweise erleichtert es den Bürgern, die Einschränkungen hinzunehmen. Die Kommunikation darf keine falschen Hoffnungen schüren, dass schon morgen alles wieder so sei wie vorher, aber sie muss Perspektiven schaffen. Die Durchhalteparolen der Kanzlerin tun das nicht.

Deshalb muss über eine Exit-Strategie debattiert werden, deshalb ist es richtig, dass Laschet einen Expertenrat zu diesem Thema einberufen hat, während die Kanzlerin in ihren gewohnten Verhaltensmustern weiterwurschtelt: Nichts entscheiden, nichts kommunizieren. Und nichts planen?

Gegenwart