PKEuS' Blog

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Die AfD hat die Sitzungsperiode des Bundestages mit einem taktischen Erfolg beendet: Ein Geschäftsordnungsantrag, der die Beschlussfähigkeit des Parlaments anzweifelt, führte zu der Feststellung, dass man nicht beschlussfähig ist. Damit entfiel die Abstimmung über den Gesetzesentwurf „zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes“, den die Bundesregierung eingebracht hatte. Die auch für die heutige Sitzung geplante Abstimmung über das Gebäudeenergiegesetz (Stichwort: Wärmepumpen) wurde durch den zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts bereits untersagt. Alles in allem: Aus Sicht der Bundesregierung ein schwarzer Tag.

Natürlich war dies ein taktisches Manöver von der AfD, aber ein wirkungsvolles, da nun frühestens im September wieder über dieses verhinderte Gesetz abgestimmt werden kann. Hierfür – auch das ist Taktik – haben AfD-Abgeordnete, die anwesend waren, sich nicht am sogenannten „Hammelsprung“ beteiligt. Die Vorwürfe, die die Sitzungsleiterin Aydan Özoğuz (SPD) in Richtung AfD hierzu unter Applaus der anderen Fraktionen äußerte, waren gleichwohl hohl: Selbst wenn die gesamte AfD-Fraktion mit ihren 78 Abgeordneten vollzählig teilgenommen hätte, hätten noch immer 46 Abgeordnete zur Beschlussfähigkeit gefehlt. Man darf annehmen, dass viele Abgeordnete bereits auf dem Weg in den Urlaub waren.

Zufälligerweise habe ich den Hammelsprung im Parlamentsfernsehen, wie es der Deutsche Bundestag (oder der Feindsender RT) überträgt, live gesehen, und mich gefragt: Welches Gesetz ist der AfD dieses Manöver wert? Worum es geht, kann man in diesem 84-seitigen Konvolut nachlesen. Das eigentliche Gesetz erstreckt sich über Seiten 7 bis 27, anschließend folgt die Begründung. Nach Durchsicht kann man sagen: Gut, dass dieses Gesetz vorerst verhindert wurde.

Das Gesetz beabsichtigt, den Energieverbrauch der Bundesrepublik Deutschland zu reduzieren (§ 4). Um dies zu erreichen, definiert das Gesetz Maßnahmen, die sich an zei Gruppen richten: Öffentliche Stellen (§§ 5-7 und 21) und Unternehmen (§§ 8-18). Verstöße gegen die Maßnahmen werden mit Sanktionen belegt (§ 19). Die gute Nachricht für die Bürger ist hier: Für sie sind unmittelbar noch keine Maßnahmen und entsprechend auch keine Sanktionen vorgesehen. Das „aber“ wird rasch folgen.

Das in § 4 vorgegebene Ziel klingt ambitioniert, sofern es ausschließlich durch Effizienzgewinne erreicht werden soll: Der Endenergieverbrauch soll um 26,5 % und der Primärenergieverbrauch um 39,3% ggü. dem Jahr 2008 sinken. Obacht ist geboten: Endenergie ist nicht die Nutzenergie, also bspw. der Teil, der bei einer Lampe in Licht, nicht in Wärme gewandelt wird, sondern die vom Endverbraucher abgenommene Energie. Heißt also: Wir alle sollen innerhalb von 7 Jahren 26,5 % weniger Energie verbrauchen. Aus der Endenergie ausgenommen sind nach § 2 erstaunlicherweise Umgebungswärme/-kälte und Solarthermie, nicht aber andere erneuerbare Energien wie z.B. Wind- und Wasserkraft.

Für die öffentlichen Stellen wird konkret vorgegeben, dass der Bund jährlich 45 TWh und die Länder jährlich 5 TWh durch „strategische Maßnahmen“ einsparen sollen. Wer denkt, das zielt darauf, dass die Behörden weniger Energie verbrauchen sollen, der irrt. „Strategische Maßnahmen“ wird in § 2 definiert, und meint Maßnahmen, die auf „Marktteilnehmer“ wirken. Marktteilnehmer, das sind wir Bürger und Unternehmen. Damit fordert das Gesetz, dass der Gesetzgeber jährlich neue Maßnahmen in Kraft setzen muss, die uns Bürger unmittelbar betreffen werden. Bekräftigt wird dies dadurch, dass nach § 5 Abs. 2 mindestens 5% der Einsparung von den Armen erbracht werden müssen. Diese dürfen – das soll wohl das soziale Element sein – nicht zu „unverhältnismäßigen Kostenbelastungen“ führen. Mit Belastungen, die keine Kosten erzeugen, hat das Gesetz kein Problem. Die Armen einsperren ginge also.

Konkrete Vorgaben für die öffentlichen Stellen selber sind in § 6 beschrieben, und betreffen nur solche mit einem Energieverbrauch von 1 GWh/Jahr (Zur Einordnung: Schulen dürften laut kurzer Internetrecherche darunter liegen). Ausgenommen davon sind Wohnungsunternehmen (nach § 6 Abs. 6), sowie Nukleareinrichtungen, Militär und Geheimdienste (nach § 18). Die Bundeswehr darf also fröhlich weiter Energie verschwenden, und wenn die aktuelle Aufrüstung dort zu Mehrverbrauch führt, muss das, um das Ziel aus § 4 zu erfüllen, irgendwo anders ausgeglichen werden. Die von § 6 betroffenen Stellen müssen außerdem ein „Energiemanagementsystem“ einrichten. Den kleineren wird dabei bis 3 GWh ein „vereinfachtes Energiemanagementsystem“ zugestanden – eine Erleichterung, die sich bei den Vorgaben für Unternehmen nicht wiederfindet. Nebenbei werden die Ländern noch verpflichtet, den Gesamtendenergieverbrauch ihrer öffentlichen Stellen zu erfassen.

Die Vorschriften für Unternehmen sind weitaus komplexer: Zunächst werden in § 8 Unternehmen mit Energieverbrauch von mehr als 15 GWh/Jahr reguliert. Diese müssen innerhalb von 1,5 Jahren ein Energiemanagementsystem eingerichtet haben. Wenn man das „nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig“ tut, fällt nach § 19 eine Geldbuße von bis zu 100.000 € an.

Dann müssen Unternehmen mit Verbrauch von mehr als 2,5 GWh/Jahr Umsetzungspläne für wirtschaftliche Sparmaßnahmen erstellen und veröffentlichen. Die Vollständigkeit und Richtigkeit muss durch Auditoren, Gutachter oder Zertfizierer bestätigt werden. Verstöße kosten bis zu 50.000 €, z.B., wenn ein Umsetzungsplan (vorsätzlich oder fahrlässig) nicht vollständig ist oder diese Vollständigkeit nicht rechtzeitig hat bestätigen lassen.

Als nächstes werden Rechenzentren und Betreiber von Informationstechnik in Rechenzentren gesondert und kleinteilig reguliert. Für diese gelten, auch wenn sie nicht von den vorherigen Vorschriften betroffen sind, Vorgaben für die Energieverbrauchseffektivität. Gesondert begrenzt wird – ausdrücklich für bereits vorhandene Anlagen – auch die Luftkühlung von IT-Geräten, die ab 2024 nicht weniger als 24 °C und ab 2028 nicht weniger als 27 °C haben darf. Ab 2024 müssen Rechenzentren 50 % Strom aus erneuerbaren Energien kaufen, ab 2027 100 %. Generell gilt auch für Rechenzentren, mit kleinen Ausnahmen, die Verpflichtung, ein Energiemanagementsystem einzurichten, und ab gewisser Anschlussleistung dieses sogar zertifizieren zu lassen. Verstöße gegen all dies sind mit bis zu 100.000 € sanktioniert. Zudem müssen Betreiber von Rechenzentren jährlich Informationen nach Anlage 3 des Gesetzes übermitteln, Verstöße kosten hier bis zu 50.000 €.

Zuletzt werden noch Erzeuger von Abwärme mit Energieverbrauch über 2,5 GWh/Jahr reguliert. Wer Abwärme nicht (auf dem Stand der Technik) vermeidet oder reduziert, kann mit bis zu 100.000 € sanktioniert werden. Ausdrücklich sagt das Gesetz hinsichtlich des „Stands der Technik“, dass die „besten verfügbaren Techniken“ zu berücksichtigen sind. Informationen zu anfallender Abwärme sind jährlich zu übermitteln. Verstöße kosten bis zu 50.000 €.

Dieser ganze Gesetzesentwurf ist ein Monstrum, bei dem man der AfD dankbar sein muss, ihn zumindest gebremst zu haben. In der Gesetzesbegründung wird versucht, die Folgen abzuschätzen. Die dort getroffene Behauptung, „[d]ie Regelungen des Gesetzes haben keine Auswirkungen auf die Verbraucherinnen und Verbraucher“ (S. 43) ist offensichtlicher Unfug; aus § 5 ergeben sich Folgen, die bloß noch nicht abschätzbar sind. Völlig grotesk ist, dass die Bundesregierung behauptet, dass das Gesetz die Wirtschaft jährlich um 93,5 Mio. € entlasten würde (S. 33). Darauf kommt man, wenn man die vermeintlich eingesparte Energie einrechnet. Für die Wirtschaft ist auch das grober Unfug: Wenn diese Einsparungen erzielbar sind, wird ein Unternehmen diese auch ohne dieses Gesetz realisieren. Die Regierung glaubt aber, dass die „Energiemanagementsysteme“ für die ganzen Einsparungen sorgen würden (S. 33).

Finanziell geht man für die Unternehmen von einem Erfüllungsaufwand von 500 Mio. € einmalig, und dann jährlich 1 Mrd. € aus (S. 32). Alleine die Energiemanagementsysteme nach §§ 8 und 11 sollen dabei jährlich knapp 800 Mio. € kosten. Die Berichtspflichten für Abwärmeerzeuger und Rechenzentren sollen 57 Mio. € pro Jahr kosten. Zudem entstehen kosten für die öffentliche Hand, einmalig 425 Mio. €, und dann jährlich 337 Mio. €. All diese Kosten enthalten nicht die Kosten für die Umsetzung konkreter Energiesparmaßnahmen. Diese werden nochmal mit zusätzlich 1,7 Mrd. € veranschlagt (S. 43).

Dieses Gesetz ist ein teures und bestenfalls nutzloses Bürokratiemonster. Das Problem ist weniger, dass Mehrkosten entstehen, sondern, dass dafür kaum Mehrwert geschaffen wird. Außer den spezifischen Vorgaben für Betreiber von Rechenzentren wird nichts in diesem Gesetz dazu beitragen, dass mehr Energie gespart wird, als ohne das Gesetz. Stattdessen werden Unternehmen unnütze Verwaltungsstellen (Energiemanagementsystem) aufgenötigt, zusätzliche Behörden („Bundesstelle für Energieeffizienz“) geschaffen und Zertifizierungsdienstleistern ein neues Geschäft beschert. Die Folgenabschätzung der Bundesrgierung ist hingegen entweder Ausdruck völliger Inkompetenz, Ignoranz, oder bewussten Lügens.

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