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Der Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK) veröffentlicht eine Statistik über die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seiner (teilnehmenden) Mitglieder. Zu finden sind einerseits monatliche Werte ab 2020, sowie jährliche Werte ab 2018. Schauen wir uns die jährlichen Werte einmal an:

Man mag es zunächst nicht glauben: Von 2018 bis 2021 ist der Krankenstand nahezu konstant, es ist kein Ausbruch der Corona-Pandemie erkennbar. Dann, 2022, springt der Krankenstand nach oben, als die angebliche Pandemie für beendet erklärt wird. Spielen hier andere Effekte eine Rolle, beispielsweise eine Veränderung der Erhebungsmethode, oder Verhaltensänderungen der Arbeitnehmer? Ziehen wir also zunächst eine andere Quelle zu Rate: Die IAB-Arbeitszeitrechnung. In ihr werden u.a. die Krankentage der Arbeitnehmer erfasst:

Die Statistik bestätigt die Ergebnisse der BKK: Auch hier ein gewaltiger Sprung im Jahr 2022. Da die Statistik bis 1991 zurückreicht, zeigt sich auch, dass dieser Wert, sowohl absolut als auch als Veränderung zum Vorjahr, historisch einmalig ist. Was ist in Deutschland passiert? Schauen wir, nachdem wir die Zahlen plausibilisiert haben, wieder in die BKK-Statistik. Diesmal monatlich, und nach Diagnosen zerlegt:

Der Übersichtlichkeit wegen sind nur die Top-6-Diagnosehauptgruppen abgebildet. Erkrankungen des Muskel-/Skelettsystems, also Rückenschmerz und ähnliches, zeigen sich hier als Dauerbrenner. Ebenso Verletzungen/Vergiftungen. Auffällig, und verantwortlich für den anhaltend hohen Krankenstand sind hingegen vorwiegend Erkrankungen des Atmungssystems, also Erkältungen, Grippe, Corona und dergleichen. Während diese in 2020 und 2021 lediglich über kurze Zeiträume nach oben schnellten, lagen sie praktisch seit Jahresende 2021 auf dauerhaft hohem Niveau. Gleiches gilt, in kleinerem Rahmen, für Infektionen. Auch hier könnten sich inhaltlich Erkältungskrankheiten mit verstecken.

Über die Ursachen einer 1,5-jährigen Erkältungswelle zu spekulieren, die sogar den Sommer (und der war 2022 nicht kühl und verregnet) über anhält, überlasse ich den Lesern. Ich bin sicher, dass jede Fraktion im Corona-Glaubenskrieg diese Zahlen gegensätzlich interpretieren kann. Die gute Nachricht: Mitte 2023 scheinen diese Werte sich zu ihrem alten Niveau zurückzuentwickeln, sodass ggf. der Krankenstand 2023 am Jahresende insgesamt nicht mehr so dramatisch aussehen könnte.

Eine mögliche Erklärung für den markanten Anstieg des Krankenstands könnte natürlich auch ein verändertes Verhalten der Arbeitnehmer sein. Zeitweise durften Krankschreibungen auch telefonisch erfolgen. Eingeführt wurde dies im Frühjahr 2020, abgeschafft zum 31.3.2023. Aufgrund der Zeitpunkte scheint dies jedoch nicht der wesentliche Treiber der Entwicklung zu sein, da der Anstieg erst deutlich nach Einführung der Regelung stattfand. Sollte es allerdins so sein, dass zumindest der Rückgang der Erkrankungen im zweiten Quartal 2023, der exakt mit der Abschaffung der Regelung zusammenfällt, darauf zurückzuführen ist, dann wäre der Rückgang nur ein statistisches Artefakt.

Die Betrachtung der Daten zeigt jedoch noch eine weitere Entwicklung: Die Kurve der psychischen Störungen ist deutlich steigend. Dies lässt sich als Effekt der Lockdown-Maßnahmen deuten – psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen sind eine bekannte Folge, aber auch Arbeitnehmer (Erwachsene) sind davor nicht gefeit – oder als Effekt der verschiedenen Krisensituationen von Corona über Ukraine bis Wirtschaft. Wenn man die gezeigten drei Grafiken in einem Satz zusammenfassen will: Sie zeigen das Bild eines kranken Landes.

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