PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

Vierundachtzig Prozent Ablehnung! Ich habe mir nicht ausgedacht, dass die Mehrheitsmeinung so eindeutig gegen die Regierung steht; sondern diese Zahlen werden von den regierungsnahen öffentlich-rechtlichen Medien so publiziert. Kaum gab es in der bundesdeutschen Geschichte je eine Zeit, in der die Ablehnung so einhellig war. Doch warum gelingt es nicht, den Kurs der Regierung zu ändern, den über 80% der Bürger ablehnen, wenn in Deutschland gilt: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“? Das ist eigentlich die frappanteste Frage unserer Zeit.

Im Umfeld dieser 84% gibt es doch gleich einen eigenartigen Befund: Demnach dürften höchstens 16% der Wähler die Regierung wiederwählen. Doch in derselben Umfrage sind es 30%. Es ist nicht konsistent – sondern eher an eine Art Stockholm-Syndrom erinnernd – eine Regierung zu wählen, deren Politik ich ablehne. Wenn ich etwa FDP gewählt habe, nun aber SPD und Grüne den Kurs bestimmen, so ist es doch nicht sinnvoll, die FDP zu wählen, die in Duldungsstarre bei dieser Regierung mitmacht. Da gibt es doch Alternativen: CDU, Freie Wähler und AfD. Wenn es mir an Sozialpolitik mangelt, so habe ich doch eine klare Alternative bei Linkspartei oder BSW. Wenn es zu viel Ukrainekrieg ist: BSW und AfD. Wenn es zu wenig Ukrainekrieg ist: CDU (ok, und Grüne, aber eine noch mehr von den Grünen dominierte Regierung ist kaum denkbar). Wenn es Migration ist: AfD, BSW, CDU. Nur wenn es zu wenig Klimaschutz ist, so wird es zugegebenermaßen etwas schwerer, eine Partei zu finden, die da noch mehr fordert, als die Grünen. Doch selbst wenn ich deren 11%, die eventuell keine „bessere“ Alternative haben, abziehe, so bleiben noch 19% Wählerstimmen – noch immer mehr als 16%. Das Wählerverhalten ist also inkonsistent.

Gleichwohl reichen auch 30% nicht aus, um nach einer Bundestagswahl weiterzumachen. Nach den jetzigen Umfragen wäre eine CDU-SPD-Regierung, vermutlich ohne Hinzuziehung der Grünen, wahrscheinlich. Doch wird diese Regierung fundamental anders regieren? Ich glaube das nicht. Zahlreiche der heutigen Probleme resultieren mitnichten aus der Politik der Ampelregierung, sondern aus dem Tun und Lassen ihrer Vorgänger: CDU und SPD unter Angela Merkel. Die Grünen haben nur noch reichlich Benzin in die schon lodernde Glut geschüttet. CDU und SPD werden eher nicht beherzt die Dinge rückgängig machen, die sie selbst angerichtet haben, sondern allenfalls die schlimmsten Auswüchse der Grünen-Politik zurücknehmen. Doch der angerichtete Schaden ist dadurch allein nicht mehr zu kompensieren. Außerdem sind Teile der Grünen-Politik inzwischen auch auf EU-Ebene festgeschrieben. Hier greift dann das Problem, dass diese Parteien in einem selbstgebauten geistigen Gefängnis leben: EU-Vorschrift? Alternativlos. Investitionen? Gehen nicht, weil Schuldenbremse. Ukrainekrieg? Russland-Sanktionen? Putin darf nicht gewinnen.

Wollen die Deutschen also garkeine andere Politik? Weshalb sind sie dann mit der Regierung unzufrieden? Den Deutschen ist inzwischen klar geworden, dass die Lage schlecht ist, und zwar richtig schlecht, auf der faktischen und auf der emotionalen Ebene: Die Wirtschaft schrumpft. Die Infrastruktur ist kaputt. Die Stimmung ist schlecht. Das Bildungsniveau sinkt. Die Gewaltkriminalität steigt. Es fehlen Arbeitskräfte in Produktion und Dienstleistungen. Das Sozialsystem überlastet. Die Bundeswehr ist nicht einsatzfähig. Die Gesellschaft ist in unversöhnliche Gruppen gespalten. Putin gewinnt, obwohl er das nicht dürfe.

Allerdings sind die Wenigsten bereit, daraus ernsthafte politische Konsequenzen zu ziehen. Das hat drei Gründe: Erstes sind bislang nur die wenigsten bisher persönlich betroffen von Wirtschaftskrise und Messerstechereien. Zumindest wirtschaftlich wird sich das noch zunehmend ändern. Zweitens, man hat sich an andere Missstände, etwa in der Infrastruktur, seit Jahren schleichend gewöhnt, dass in Deutschland nichts funktioniert, gilt längst als normal. Drittens, und das ist der interessanteste Grund, stellt die politische Passivität für viele Deutsche ein psychischer Selbstschutz dar.

Die Energiewende finden die meisten Deutschen richtig. Würde man sie fragen, ob wir sie schneller vollziehen müssten, würden viele wohl zustimmen. Die Schuldenbremse finden sie gut, obwohl sie uns schadet. Sie finden es gut, dass wir Unmengen an Ressourcen in die Ukraine pumpen, obwohl uns dies objektiv nur schadet und nichts nützt (Putin gewinnt trotzdem, es dauert bloß länger und es sterben dabei mehr Menschen). Sie finden es gut, dass wir uns die Gaszufuhr gekappt haben, obwohl uns das schadet. Sie finden es richtig, Millionen von Migranten in Deutschlad zu dulden, die kein Asylrecht haben, und für deren Versorgung und Integration wir keine Ressourcen haben. Jene Politik, die die Stimmung im Land versaut und die Gesellschaft gespalten hat, finden sie unverändert richtig. Noch immer hält die Mehrheit eisern an dem Glauben fest, die Lockdowns, die Maskenpflicht, die Impfkampagnen, 3G und 2G seien richtig gewesen. Unverdrossen wird auch an anderen Stellen weiter gespalten, indem verbal gegen Andersdenkende geholzt wird: „Putinknecht!“ „Nazis!“ Und seien Sie sicher: Die glauben das wirklich.

Diese Leute haben sich von den Andersdenkenden (Querdenker! Putinknecht! Nazi!) hermetisch abgegrenzt und bestärken sich nun noch gegenseitig in ihren Irrtümern. In Abwesenheit schlagkräftiger Sachargumente wird die eigene Position mystisch aufgeladen. Dies dient dem psychischen Selbstschutz: Ihre Irrtümer sind so umfassend, dass ein Eingeständnis dem Zusammenbruch des Weltbilds gleichkäme. Das wäre psychisch nicht verarbeitbar, somit sind die Irrtümer nicht aufarbeitbar und politische Konsequenzen nicht möglich. So gesehen ist es erstaunlich, wie viele Menschen inzwischen dennoch AfD oder BSW wählen.

Gegenwart