PKEuS' Blog

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Sehr schön fand ich ja, dass ein Presseorgan getittelt hat: „Merkels Bahnhof“. Die Kanzlerin, die sich nie festnageln lässt, hat sich im Falle Stuttgart 21 (für ihre Verhältnisse) weit aus dem Fenster gelehnt, indem sie sich für das Projekt aussprach. Ich selbst hingegen habe kürzlich über das absehbare Ende geschrieben – und habe mich offensichtlich geirrt, weil ich die Unvernunft der Entscheidungsträger vergaß.

Was kann man also nun prognostizieren? Es wird weitergehen. Der Abriss des funktionierenden Bahnhofs. Der Tiefbau. Die Flur- und Kollateralschäden. Die Geldverschwendung samt stetiger Kostensteigerungen. Das beste kommt aber zum Schluss: Der Bahnhof wird ohne weiteres keine Betriebsgenehmigung bekommen dürfen. Die Bahnsteiggleise sind mit mehr als 10 Promille Steigung so steil, dass die Züge bei gelösten Bremsen losrollen würden. Ein solcher Bahnhof ist nach der gültigen „Eisenbahnbau und -Betriebsordnung“ (EBO) nicht genehmigungsfähig. Außerdem ist auch die Frage des Brandschutzes ungeklärt, eine Erweiterung des Personentunnels ist vermutlich nötig. Die wird richtig teuer, aber ohne ist eine Betriebsgenehmigung unwahrscheinlich. Man könnte natürlich, wenn es soweit kommt, die Regelwerke anpassen oder Sondergenehmigungen aussprechen. Dann würde aber klar, dass die Sicherheit der Fahrgäste den Entscheidungsträgern weniger wert ist, als der Bau eines Prestigeprojektes. Das Eisenbahnbundesamt hätte sich außerdem als die Instanz, die geschaffen wurde, eine privatisierte Bahn zu bändigen und zu reglementieren, diskreditiert.

Warum also nicht aussteigen, solange das noch irgendwie möglich ist? Da schlägt der Homo Oeconomicus zu, der ohne Rücksicht auf Verluste den eigenen Nutzen maximierende Mensch. Die Bahn hat nicht ganz unrecht, wenn sie sagt, dass für sie dabei hohe Aussteigskosten entstehen. Die Zahl 2 Mrd. € geistert dazu durch die Medien. Das mag tatsächlich die vermutete Summe sein, die die Bahn dabei zahlen muss. Was sie verschweigt: Der größte Teil der Gelder müsste an die Stadt Stuttgart, das Land Baden-Württemberg oder den Bund gezahlt werden, nämlich im Zuge der Rückabwicklung der Grundstücksverkäufe, wo heute das Bahnhofsvorfeld des Kopfbahnhofs liegt. Linke Tasche, rechte Tasche, oder? Nicht für die privatisierte, bzw. sich privatisiert fühlende Bahn. Die maximiert ihren Nutzen, ohne Rücksicht auf den Staat. Mit einer Staatsbahn wäre das nicht passiert, weil diese nicht dem eigenen Nutzen, sondern einer konstruktiven Rolle bei der Förderung der Mobilität verpflichtet wäre.

Diese Grundstücksverkäufe sind im übrigen der nächste Wahnsinn, der sich auftut. Neulich war in der Zeitung zu lesen, dass diese Verkäufe folgendermaßen geregelt sind: Die Stadt Stuttgart kauft die Grundstücke sofort, und die Bahn behält bis 2020 ein Nutzungsrecht, weil ja bis 2020 noch der alte Kopfbahnhof genutzt würde. Ich bin gespannt, was passiert, wenn die Bahn bemerkt, dass der neue Bahnhof bis 2022 (aktueller Fertigstellungstermin) noch nicht fertig ist ...

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