PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

Kaum geschehen mal wieder ein paar Anschläge, die die seit 2001 regelmäßig im „Kampf gegen den Terror“ verschärften Sicherheitsvorkehrungen wieder nicht verhindern konnten, werden die nächsten Maßnahmenpakete durchgedrückt, mit denen Terrorbekämpfung durch Beseitigung von Bürger- und Freiheitsrechten gelingen soll. Der neueste Schrei: Mehr Videoüberwachung, und zwar mit Gesichtserkennung, so will es unser Innenminister. Bundeswehreinsätze im Inland, so will es die Verteidigungsministerin. Mehr Polizei wollen sowieso alle, mehr und „bessere“ Geheimdienstarbeit natürlich auch. Die SPD findet das alles nicht so schlimm, so konnte man in der WAZ von heute nachlesen, und so können wir sicher sein: Das alles wird kommen. So terrorisiert die politische Führung dieses Landes die Nation in einen Sicherheitswahn hinein und schafft einen Überwachungsstaat, wie ihn die Politiker der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1990 mit dem Verweis auf den anderen deutschen Staat jenseits der Mauer abzulehnen vorgaben.

Dabei fragt man sich, wieviele Beweise es noch braucht, dass alle Terrorabwehrmaßnahmen, die schon ergriffen wurden oder jetzt bald ergriffen werden, das Gegenteil bewirken? Wir haben seit dem 11. September unter anderem den Fingerabdruck im Personalausweis bekommen, und gratis mit dabei die Unterstellung, dass wir ein Volk von Verbrechern seien (Konrad Adenauer wird nachgesagt, den Fingerabdruck im Personalausweis mit den Worten „die Deutschen sind kein Volk von Verbrechern“ abgelehnt zu haben). Wir haben jetzt Videoüberwachung an vielen öffentlichen Plätzen – nicht nur gegen den Terror, sondern auch gegen alle möglichen Verbrechensarten, die ebenfalls wachsen und gedeihen. Die Berichte über auf öffentlichen Plätzen zusammengeschlagene Menschen (oder diesen Winter: sexuell belästigte Frauen) sind nicht zurückgegangen; stattdessen haben wir von den Überfällen jetzt Filmaufnahmen, doch aufklären lassen sich die Fälle trotzdem oft nicht. Die Befugnisse der Geheimdienste, die sie – angeblich im Interesse der öffentlichen Sicherheit – dann auch noch massiv überschritten haben, wurden massiv ausgebaut. Trotzdem ist es nicht gelungen, die Anschläge zu verhindern, oder die Drahtzieher (so es welche gibt) zu identifizieren. Vielmehr füttern unsere Geheimdienste ausländische Dienste mit Informationen über die eigene Bevölkerung und stehen im Verdacht, den NSU-Terror verdeckt und finanzert zu haben. Erlaubt wurde außerdem der Einsatz der Bundeswehr im Inneren im Katastrophenfall, was den Sicherheitsfanatikern natürlich nicht reicht, wie man heute sieht und hört. Zuletzt haben wir seit letztem Jahr wieder eine Vorratsdatenspeicherung, auf deren Daten die Behörden ohne richterliche Anordnung zugreifen dürfen – frei von rechtsstaatlicher Kontrolle.

Objektiv betrachtet lebt man in Deutschland sicher, 2001 und heute. Die Anschläge, die dennoch geschehen, sind furchtbare Verbrechen, doch insgesamt bleibt die Zahl der Opfer verschwindend gering. Doch wie alle furchtbaren Verbrechen lassen sie sich nicht vollständig verhindern. Der Punkt, bis zu dem der Versuch, sie zu verhindern, mehr nützt als schadet, ist weit überschritten. Das sicherheitsesoterische Reden unserer Politiker, die eine Sicherheit herstellen wollen, die objektiv nicht erreichbar ist, die Überwachung der Öffentlichkeit, das ständige Ausrufen abstrakter Terrorwarnungen, das Einschränken bürgerlicher Freiheiten und die Abschaffung rechtsstaatlicher Institutionen, so wie all das seit 2001 stattgefunden hat, hat mein subjektives Sicherheitsgefühl massiv verschlechtert – und auf dieses subjektive Gefühl kommt es für das Wohlbefinden schließlich an. Ständig haben wir in den letzten Jahren Terrorwarnungen, gelegentlich auch Terroranschläge oder zu Terroranschlägen hochstilisierte Amokläufe. Objektiv ist es im Land nicht sicherer geworden; Gediehen ist einzig die subjektive Unsicherheit. Das Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung und das Klima der Überwachung hat den Terroristen zum Erfolg verholfen und macht Anschläge für Terroristen erst attraktiv. Angesichts des Misstrauens, dass die aufgehetzte Öffentlichkeit nun anderen Menschen wegen ihres Aussehens oder wegen ihers Glaubens entgegen bringt, dürfen wir uns nicht einmal wundern, falls wir den Terroristen damit noch Zulauf bescheren.

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