PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

Die Sanktionen wirken: Ressourcen werden knapp, die Wirtschaft geht in die Knie und die Produktion wird unterbrochen – dummerweise weniger in Russland, als bei uns. Natürlich sind auch in Russland Produktionsketten unterbrochen und Betriebe geschlossen, sogar einige. Das ist aber mehr oder minder unmittelbar schon im März passiert und war ganz offensichtlich nicht ausreichend, Russland in die Knie zu zwingen. Während in Russland schon der Ersatz anläuft, kommt jetzt, zeitverzögert, der Rückschlag in Europa: Die Nachrichten kommen dabei Schlag auf Schlag, täglich kündigen weitere Unternehmen an, die Produktion einzustellen oder zu unterbrechen, melden Habeck'sche oder echte Insolvenz an. Darunter Düngerfabriken, Dachziegelhersteller, Stahlwerke, Bäckereien, Klopapierfabriken und Porzellanfabriken.

Der Anlass und die einzelnen Begleitumstände mögen beispiellos sein, eine Deindustrialisierung als solche ist es nicht. Direkt fallen mir zwei historische Fälle ein, zu denen sich ein Vergleich lohnen könnte: Die Ereignisse in Deutschland zwischen 1919 und 1932, sowie der Zusammenbruch des Ostblocks nach 1989. Zu beiden Fallbeispielen gibt es flagrante Gemeinsamkeiten: Durch die enormen europäischen Energiepreise entsteht ein massiver Wettbewerbsnachteil ggü. dem Rest der Welt, so wie 1989 durch technologischen Rückstand. Die im Osten wegen fehlender Wettbewerbsfähigkeit geschlossenen Industrien blieben weitgehend geschlossen, es kam zu einer rasanten Abwicklung der Industrie von Ostdeutschland bis Russland, dem sich ein langer, mühseliger Strukturwandelprozess anschloss.

Die Reparationen des Versailler Vertrags hingegen forderten von Deutschland auch umfangreiche Lieferungen von Energieträgern (Kohle) nach Frankreich, sodass in Deutschland seinerzeit – ähnlich heute – eine Energieknappheit bestand. Allerdings war Deutschland damals selbst Energieproduzent, während es heute fast ausschließlich Importeur ist. Die Ereignisse des Ruhrkampfs haben die Regierung 1923 veranlasst, Geld zu drucken und leistungslos an die Bevölkerung zu verteilen, was eine Parallele zu den Coronahilfen von 2020 darstellt, und 1923 in die Hyperinflation führte. Doch die Wirtschaft kam nach der Hyperinflation rasch wieder in Schwung. Die Ereignisse von 1930 bis 1932 hat dann zwar die Weimarer Republik nicht überlebt, doch die Industrie (aus historisch gut bekannten Gründen) schon. Es kam 1923 und vor allem 1932 zu Betriebsschließungen, Massenarbeitslosigkeit und Massenelend (die Marienthal-Studie ist ein höchst interessantes wissenschaftliches Zeitdokument), aber nicht zu einer nachhaltigen Deindustrialisierung Deutschlands.

Warum zerbrach 1989 die Industrie, während sie 1923 und 1932 überlebte? Vielleicht waren es historische Zufälle. Vielleicht jedoch spielte auch eine Rolle, dass Anfang des 20. Jahrhunderts die Fortführung der Industrieproduktion ohne sinnvolle Alternative war, angesichts physischer Not der Menschen, bei gleichzeitigem Vorhandensein von Technologie, Energie und Arbeitskräften. Vielleicht spielte es auch eine Rolle, dass das Ausland damals nicht imstande war, die deutsche Wirtschaft zu ersetzen, sondern man im Gegenteil noch umfangreiche Reparationsleistungen verlangte, die Deutschland erwirtschaften musste. Vielleicht spielte auch der Wille der Menschen, durch wirtschaftlichen Fortschritt die Lebensumstände zu verbessern, eine Rolle. Vor einhundert Jahren lebte die Welt nicht im Überfluss; 1989 tat es zumindest der Westen; Er brauchte Industrie und Technologie des Ostens nicht, allenfalls dessen Rohstoffe und billige Arbeitskräfte (die der Klassenfeind auch noch gut ausgebildet hatte). So übernahm er die Wirtschaft des Ostens, entledigte sich der Konkurrenz und machte sich seine Ressourcen zu nutze. Oder die Deindustrialisierung war eine Zwangsläufigkeit, die auch die westliche Industrie betraf, die davor und danach in allen alten Industrieländern – man denke an das Ruhrgebiet oder den amerikanischen „Rust Belt“ – wie im Osten stark schrumpfte.

Und heute? Energie haben wir keine mehr, außer schwankender Wind- und Sonnenenergie, für die wir aber keine Speicher haben. Wer heute Industrie in Deutschland betreibt, muss davon ausgehen, nicht nur kurzfristig, sondern auf absehbare Zeit keine bezahlbare und stabile Energieversorgung mehr zu haben. An zugleich arbeits- und leistungsfähigen, arbeitswilligen Menschen mangelt es uns heute auch – und damit meine ich weniger die Arbeitslosen, die wir schon haben, sondern den Teil der Erwerbsbevölkerung samt ihres Nachwuchses, der zwei linke Hände hat und dessen Fachexpertise sich auf Genderstudies und sonstige Jodeldiplome beschränkt. Wenn unsere Lösung aber darin bestehen soll, künftig vollständig Maschinen die Arbeit zu überlassen, dann wird der Lohn dieser Arbeit allerdings nicht bei uns, sondern etwa in China oder den USA landen, die technologisch ebenso in der Lage sind, entsprechende Maschinen zu entwickeln, im Gegensatz zu uns aber die Ressourcen haben, sie zu bauen und zu betreiben.

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