PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

Gestern hat das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungskonformität des ESM geurteilt und festgestellt, dass der Vertrag im Wesentlichen verfassungsgemäß ist. Das Urteil ist insgesamt aus mehreren Perspektiven erschütternd:

Ich bin natürlich kein Jurist, und kann daher nur aus der Perspektive eines interessierten Laien urteilen. Die Verfassungskonformität stand aber im Grunde in drei Punkten in Frage: Das Recht des Parlaments, über den Haushalt zu entscheiden („Königsrecht“). Die Frage der Kündbarkeit des Vertrages sowie die rechtliche Immunität der Vertreter des ESM. Die Festsetzung der Haftung Deutschlands auf 190 Mrd. € durch das Gericht ist sicherlich in Bezug auf das Haushaltsrecht ein Gewinn für den Bundestag. Die Haushaltshoheit des Parlaments mag also gewahrt sein. In den anderen Fragen sehe ich keine Fortschritte, und die Verfassungskonformität dessen erscheint mir somit nach wie vor fragwürdig: Der Vertrag mag theoretisch kündbar sein. Praktisch ist er es aber nicht, da ein Auflösen der entstehenden Finanzgeflechte unmöglich scheint, der Schaden für alle Beteiligten immens wäre und die politische Stabilität Europas gefährdet würde, falls man den ESM nachträglich auflöst. Die Verfassung muss aber in einem funktionierenden Staat auch praktisch wirksam bleiben – sonst ist die politische Stabilität Deutschlands gefährdet. Weiterhin bezweifle ich, dass es einen guten Grund gibt, den Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz (Rechtsstaatsprinzip) für die Vertreter des ESM aufzuheben. Außerdem bedeutet diese Immunität, dass die Verantwortlichen im Zweifel kaum dafür haftbar gemacht werden können, wenn sie Fehler machen oder gar die vom Verfassungsgericht festgelegten Regeln (u.a. die Haftungsobergrenze) brechen.

Mir (als Laie!) erscheint das Urteil genauso windig und mutlos wie die Vorigen. Bereits bei vergangenen Urteilen hat das Gericht in etwa gesagt: „Das war verfassungswidrig. Darum müssten wir die Beschhlüsse eigentlich für unwirksam erklären. Machen wir aber nicht, weil wir Angst vor den Konsequenzen haben.“ Die Konsequenz solcher Urteile ist, dass die Politik merkt, dass es hilft „Fakten zu schaffen“, um etwas Verfassungswidriges durchzusetzen.

Als Nebenwirkung ist es außerdem ein politisches Signal in die falsche Richtung. Selbstverständlich darf das Gericht nicht unter politischen sondern nur unter rechtlichen Gesichtspunkten urteilen – weswegen das vom Urteil ausgesandte politische Signal nicht vom Gericht zu verantworten ist – trotzdem bedeutet es einen Sieg für die Rettungspolitik der EU und der Regierung Merkel. Diesen Sieg konnte Wolfgang Schäuble gestern im Heute-Journal auch voll auskosten, als er selbst die Einschränkungen des Gerichts vom Tisch fegte: Das sei alles schon im Grunde so vereinbart, wie vom Gericht verlangt. Dabei wäre politisch eigentlich nichts wichtiger gewesen, als dass die Regierung Merkel Gegenwind aus Karlsruhe bekommt, wenn schon sonst nirgends mehr Widerstand besteht: Das Volk wird sie weiter wählen (sofern sie wählen gehen), denn die wenigen Alternativen sind durch Stimmungsmache in der Öffentlichkeit diskreditiert oder vertreten anderweitig unhaltbare Positionen.

Gegenwart