PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

Einen bemerkenswerten Satz konnte man heute morgen auf der Titelseite der Süddeutschen Zeitung lesen: „Zudem sind die neuen finanziellen Probleme [von Griechenland] weniger auf politische Fehler als auf die Rezession im Land zurückzuführen, die auch die Geberstaaten so nicht erwartet hatten.“ Interessante Logik. Die Rezession ist also quasi vom Himmel gefallen. Ich sehe sogar zwei politische Fehler: Erstens, dass man eben diese Rezession durch die Sparpolitik hervorgerufen hat (oder das Problem zumindest erheblich verschärft hat). Zweitens, dass man diese Tiefe der Rezession nicht geahnt haben will. Entweder haben es die Verfasser nicht geschafft, ihre eigene Meinung vernünftig darzustellen, oder sie haben vergessen, dass man indirekte Rede im Konjunktiv schreiben sollte.

Ein kleines Wunder ist geschehen. Der IWF korrigiert einen Faktor in seinen Berechnungsmodellen – genauer gesagt, den Multiplikatoreffekt von Staatsausgaben. So ging man bislang von 0,5 aus, d. h. einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 0,50 €, wenn der Staat 1 € weniger ausgibt. Neuerdings geht man laut ORF-Artikel von Werten zwischen 0,9 und 1,7 aus, also einem Wirtschaftsrückgang von bis zu 1,70 €. Die Rezession in Griechenland und all den anderen „sparenden“ Ländern könnte also größer werden als vom IWF angenommen und Sparen könnte sich letztlich als schädlich erweisen. Der deutschen Bundesregierung, bzw. Wolfgang Schäuble, passt das aber anscheinend garnicht ...

Nun bekommen wir vielleicht doch eine Finanztransaktionssteuer. Der Wind hat sich also gedreht, und unser Fähnchen im Windunsere Regierung gleich mit. Vor der Krise wollte man sie garnicht, danach nur widerwillig – und jetzt sieht es im Moment so aus, als kommt sie doch. An dieser Stelle zitiere ich mal Wikipedia – im Vertrauen, dass es recht hat: „In Deutschland wurden aufgrund des Kapitalverkehrsteuergesetzes bis Ende 1990 eine Börsenumsatzsteuer und bis Ende 1991 eine Gesellschaftsteuer erhoben.“ Zwischen 1982 und 1998 regierte Schwarz-Gelb. Haben sie sich damals geirrt? Irren sie sich heute? Oder irrt man einfach der Öffentlichkeit hinterher? (Es ist natürlich legitim, eine Meinung zu ändern. Je öfter man dies jedoch tut, desto nötiger wird es, dass zu begründen, um glaubwürdig zu bleiben. Und eben dass ist bei den Wenden dieser Regierung nicht passiert.)

Gleichwohl ist die Initiative doch zu begrüßen. Immerhin werden hierdurch Finanztransaktionen teurer, also unattraktiver. Und ihre externen Effekte werden gewissermaßen internalisiert, obschon die Schäden nicht konstant auftreten (Wie dies bei z. B. Waldabholzung der Fall wäre) sondern spontan und in großem Umfang (eher vergleichbar mit einem Unfall in einem AKW) passieren und daher die (über einen längeren Zeitraum) eingenommenen Mittel nicht unmittelbar zu ihrer Beseitigung eingesetzt werden können. Wenn man aber die nun in dieser Krise aufgehäuften Schulden betrachtet, dürften diese Mittel doch mittelfristig primär doch zur Schadensbeseitigung nötig sein. Schade nur, dass in den letzten 15 Jahren, in denen diese Krise geschaffen wurde, keine Finanztransaktionssteuer erhoben wurde.

In normalen Zeiten wäre das eine Randnotiz, doch jetzt, inmitten der Eurokrise, wird es ein medialer Staatsakt. Der Tenor natürlich der übliche: Griechenland solle sparen, privatisieren und nochmal sparen. Über die mittel- und langfristigen Folgen davon denkt aber anscheinend niemand nach, wenn man bedenkt, dass diese Forderungen nach wie vor unkommentiert, oder höchstens mit einem möglichst nichtssagenden Auszug aus einer Aussage eines Kritikers garniert, gesendet bzw. gedruckt wird.

Allerdings scheint sich die politische Lage in Griechenland nicht beruhigt zu haben, zumindest ist das der Eindruck, den der Kanzlerinnenbesuch, der mit Demonstrationen mit Steinwürfen, erweckt. „Gefeiert“ wird außerdem dem heutigen Heute-Journals zufolge der Syriza-Chef, und die Rechtsextremen scheinen unverändert stark angesichts der Aussage, dass auch Hakenkreuze zum heutigen Anlass in Griechenland zu sehen waren. In Deutschland ist man jedenfalls nach der ESM-Diskussion bereits wieder in die gewohnte Lethargie zurückgefallen. Das Inkrafttreten des ESM jedenfalls ist von den Medien (und damit auch von der Öffentlichkeit) nicht wirklich beachtet worden.

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