PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

Nicht erst seit dem Parteitag streiten sich führende Köpfe der Linkspartei über die Frage: „Offene Grenzen für Alle?“ Eine knappe Mehrheit (oder zumindest laute Minderheit) der Partei scheint dabei hinter der diese Frage bejahenden Haltung der Parteiführung um Katja Kipping und Bernd Riexinger zu stehen. Gegen die prominenteste Vertreterin der Gegenposition, Sarah Wagenknecht, läuft seit geraumer Zeit eine Kampagne aus Parteikreisen, um sie – die wohl das Zugpferd der Partei bei Wahlen schlechthin ist – zum Rückzug zu treiben. Im Rahmen der Kampagne werden ihr etwa Nationalismus, AfD-Nähe oder Rassismus unterstellt. All das ist Ausdruck des völligen Verlusts der Realitätswahrnehmung der „Open-Borders-Fraktion“:

Zunächst mal ist es taktisch reichlich dumm, die prominenteste Politikerin der eigenen Partei abzusägen. Insbesondere dürfte sie die einzige Spitzenpolitikerin der Partei sein, die außerhalb der eigenen Mitglieder als wählbar und respektabel wahrgenommen wird. Ohne Wagenknecht (und Lafontaine) darf die Linkspartei getrost davon ausgehen, dass sich ihre Wahlergebnisse auf Bundesebene halbieren. Unsolidarisch, und damit einer linken Partei unwürdig, ist es ohnehin; aber wenn eine Parteispitze so agiert, dann ist das auch ein offensichtlich parteischädigendes Verhalten – ganz im Gegensatz dazu, wenn die Parteispitze oder die Fraktionsspitze die eine oder andere Meinung in einer Sachfrage äußern und sachlich debattieren.

Eine Ursache dafür, dass Politiker wie Riexinger und Kipping für die Partei außerhalb linksalternativer Millieus keine Wähler oder Sympathien gewinnen können, ist, dass für jeden, der außerhalb eines links-grün-liberal-alternativen Kokons lebt, die Forderung nach offenen Grenzen sich unmittelbar als völlig absurd entlarvt. Wäre der Demokratische Sozialismus Realität, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern international, wären offene Grenzen ohne Frage eine richtige und geradezu zwangsläufige Forderung. Nur ist diese Voraussetzung in keiner Weise gegeben. So verstärken offene Grenzen nur Wanderungsbewegungen, in denen jene, die es sich leisten können, aus Ländern mit geringer Lebensqualität in Länder mit besseren Aussichten und offenen Grenzen ziehen. So bluten die armen Länder aus, wobei die Ärmsten der Armen dort im Dreck sitzen bleiben, während auf der anderen Seite soziale Spannungen in dem Zielland der Migrationsbewegung auftreten. Diese sozialen Spannungen konzentrieren sich auf Sozialleistungen, Arbeitsplätze im niedrigen Lohnbereich und Grundbedürfnisse wie Wohnraum. Arbeitsplätze und Wohnraum sind, zumindest mittelfristig begrenzt, wodurch auch die Kapazitäten einer Gesellschaft zur Aufnahme von Zuwanderern beschränkt sind. Wer das ernsthaft bestreitet, oder glaubt, die Sachzusammenhänge durch das Deklamieren moralischer Ansprüche und Haltungen wegwischen zu können, entlarvt sich jedem denkenden Menschen unmittelbar als weltfremder Spinner. Dass diese Überlegungen das Asylrecht in Frage stellen oder negieren würden, ist übrigens unsachliches Gekreische, dass sich nur „ad hominem“, gegen die Person, richtet.

Wenn eine Partei, die den Anspruch hat, die Betroffenen vergangener sozialer Kahlschläge zu vertreten, solche Positionen kundtut, wird sie statt Sympathie nur Angst auslösen: Angst um die eigenen Lebensverhältnisse und Chancen, und Furcht vor einem auseinanderbrechen der Gesellschaft insgesamt. Deutlicher formuliert: Wer in einer Welt mit derartig ungleichen und ungerechten Lebensverhältnissen über offene Grenzen für alle schwadroniert, lässt vor dem geistigen Auge des Zuhörers den Bürgerkrieg ausbrechen. Wer, implizit oder explizit, den Zuhörer dann zum Rassisten oder Nationalisten erklärt, betreibt dann auch noch Wählerbeschimpfung. Was bereits ein oder zwei Millionen Flüchtlinge für ein gesellschaftliches Klima auslösen, ist ja inzwischen erwiesen, sodass man sich garnicht ausmalen mag, wie ein weiterer Zuwandererstrom die gesellschaftliche Stimmung beeinflussen würde.

Angesichts des Verlaufs der Debatte, und der Unzugänglichkeit für Sachargumente auf Seiten der Offene-Grenzen-Fraktion wird mir um die Partei, deren Mitglied ich seit inzwischen einigen Jahren bin, Angst und Bange. Im Interesse der Zukunft der Partei und im Sinne des Fortbestands einer Hoffnung darauf, dass in Deutschland eines Tages noch einmal eine vernünftige, soziale Politik umsetzbar wird, kann man nur hoffen, dass Sarah Wagenknecht standhaft bleibt, sich nicht aus der Partei oder Fraktionsspitze drängen lässt, und dass die geplante Sammlungsbewegung ein Erfolg wird, damit eine linke Gestaltungsmöglichkeit zurückkehrt, die maßgeblich von der SPD zuletzt verspielt worden ist.

Gegenwart