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Am 26.09.2021 hat Deutschland einen neuen Bundestag gewählt. Die Artikelserie zur Wahl möchte ich nun mit einer Analyse des Wahlergebnisses abschließen.

Die vor zwei Wochen konsultierte Glaskugel hat besser funktioniert als die der Demoskopen, lag aber in zwei Punkten dennoch falsch. Erstens, ich hatte die CDU knapp vorne vermutet – prozentual ein kleiner Unterschied, der aber eine Kanzlerschaft ausmachen könnte. Zweitens, ich hatte einen Bundestag mit etwa 900 Abgeordneten befürchtet, bekommen haben wir nun 735, weil die CSU ein, gemessen an den Umfragen, doch nicht so schlechtes Zweitstimmenergebnis eingefahren hat. Trotzem: Der bisher größte Bundestag, angeblich das zweitgrößte Parlament der Welt.

Die Wahlbeteiligung ist gegenüber der letzten Wahl minimal gestiegen. Das ist eigentlich erstaunlich: Normalerweise steigt die Beteiligung, wenn der Eindruck herrscht, dass es knapp wird. 2017 war davon keine Spur zu sehen, der Wahlsieg der Union war vorher klar – 76,2 % wählten mit. Dieses mal war es ein knappes Rennen – 76,6 % haben gewählt. Vermutlich hat das knappe Rennen durchaus einige Wähler mobilisiert, was aber durch zwei Gegeneffekte neutralisiert wurde: Viele Wähler hielten keinen der Spitzenkandidaten für geeignet und manche dürften wenig Sinn darin gesehen haben, zur Wahl zu gehen, wenn ausschließlich schlechte Alternativen zur Wahl stehen. Zweitens fehlte unter den bekannten Parteien eine solche, die zum allgegenwärtigen Corona-Thema dezidiert vom Regierungskurs abweicht. Wer gegen die Corona-Maßnahmen ist und das Thema wichtig findet, musste also entweder gegen die eigene Überzeugung stimmen, oder eine Partei wählen, die voraussichtlich nicht in den Bundestag kommt – also seine Stimme gewissermaßen verfallen lassen.

Wer hätte bis vor einem Jahr geglaubt, dass die SPD jemals wieder bei einer Bundestagswahl mehr als 20% erreicht? Ich jedenfalls nicht. Jetzt liegt sie bei 26 % und ist sogar stärkste Kraft. Mit dem drittschlechtesten Wahlergebnis seit 1949 macht sich die SPD nun Hoffnungen auf die Kanzlerschaft, muss dazu jedoch eine Koalition mit FDP und Grünen oder mit der CDU/CSU bilden. Nach wie vor halte ich eine Ampel für unwahrscheinlich: Die FDP hat mit ihrem regelrecht kindischen Ausschließen von Steuererhöhungen eine rote Linie gezogen, die mit der von SPD und teils auch Grünen versprochenen Politik inkompatibel ist. Doch mutmaßlich wird eine künftige Regierung schnell unter Zugzwang geraten, wegen der Corona-Lockdown-Flurschäden, die die Merkel-Regierung angerichtet hat, einen irgendwie gearteten Lastenausgleich zu organisieren – egal wovon die FDP träumt. Das, sowie die Maßnahmen zum Klimaschutz und die Bekämpfung weiterer Altlasten der Merkel-Jahre wird mindestens vorübergehend höhere Steuern für diejenigen erfordern, die vergleichsweise gut durch diese Zeit gekommen sind.

Wahrscheinlicher ist da schon, dass sich SPD und CDU auf eine Groko unter umgekehrten Vorzeichen einigen. Die SPD-Basis würde dies wohl mittragen, denn diesmal wähnen sie den Kanzlerbonus auf ihrer Seite. Schwerer wäre der Gang schon für die Union, die momentan noch ihre Wunden leckt. Dieses Wahlergebnis ist nur insoweit die Schuld von Armin Laschet, dass er den Fehler begangen hat, als neugewählter Parteichef nicht sofort das Kanzleramt zu beanspruchen. Wolfgang Schäuble hat das erkannt. Hätte er Merkel nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden abgesägt, wäre zwar die „GroKo“ geplatzt, doch Laschet hätte dann schon vor der Wahl die Jamaika-Koalition bilden können, die unter Merkel 2017 nicht ging. Er wäre dann mit Amtsbonus und dem einer solchen neuen Regierung innewohnenden Schwung in die Wahl gegangen. Grüne und FDP wären zu so einer Koalition vermutlich bereit gewesen – wäre man doch schon ein knappes Jahr eher ins Amt gekommen und hätte bei der Wahl von dem medial wohl als zukunftsweisend rezipierten Bündnis der drei Parteien profitiert.

So muss die CDU jetzt darauf hoffen, dass die „Ampel“ scheitert – was durchaus möglich ist – und dass Grüne und FDP auch mit einer CDU/CSU in der Wahlverlierer-Rolle zu einer Jamaika-Koalition bereit sind – wahrscheinlich schon – so dass man nicht von der SPD mit dem Argument, dass die Union bei der Bildung der letzten Groko noch als Waffe gegen die SPD genutzt hat – man müsse jetzt staatstragend sein – in eine schmachvolle neue Groko gezwungen wird. Bei keiner der zwei Optionen der Union, weder Jamaika noch Groko, kann es am Inhaltlichen scheitern, nachdem die Union in der Merkel-Ära jeglichen inhaltlichen „Ballast“ über Bord geworfen hat.

Bezeichnend war für den ganzen Wahlkampf aber auch, dass zwei Elefanten im Raum standen, über die keiner reden wollte. Der eine war Afghanistan; das großartige Scheitern der Nato auf ihrem prominentesten Kriegsschauplatz. Doch vom Versagen der Bundesregierung, von 20 Jahren jetzt evident falscher Politik, war kurz nach dem Fall von Kabul schon keine Rede mehr. Nicht nur das: Stattdessen wurde in der Diskussion über eine Rot-Rot-Grüne Koalition mit Verweis auf die Außenpolitik und die Haltung zur Nato wieder der Linkspartei die Regierungsfähigkeit abgesprochen – der einzigen Partei im Bundestag, die hier immer auf der richtigen Seite gestanden hat. Und der zweite Elefant ist natürlich Corona. Im Wahlkampf herrschte dröhnendes Schweigen dazu. Eine Debatte über Konzepte, aus der Krise zu kommen, konnte nicht geführt werden: Erstens hatten die Parteien im Bundestag kein Konzept dafür, zweitens haben die Medien die Kandidaten nicht danach gefragt und drittens haben die Wähler es auch nicht eingefordert. So bleibt es auch abseits der Sondierungsgespräche spannend: Wann entdecken die Deutschen den Elefanten, wann merken sie, dass die Corona-Maßnahmen dem Virus weniger zugesetzt haben als unserer Verfassungsordnung?

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