PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

In Deutschland ist aktuell Streiksaison. Der öffentliche Dienst streikt, eine der Bahngewerkschaften streikt, und die Post hat gestreikt. Nun hat Verdi mit der Post gerade einen Abschluss ausgehandelt. Der wird von Verdi und der Post als großer Gewinn für die Mitarbeiter beschrieben; die Konkurrenzgewerkschaft kritisiert ihn hingegen scharf. Unter'm Strich hat er mehr Schatten als Licht: Bis zu 16,1% klingt zwar nach viel, ist aber eine Mogelpackung, da der Vertrag zwei Jahre Laufzeit hat. Damit ist er tatsächlich in der niedrigsten Entgeltgruppe 8% wert; für die höheren Lohngruppen gibt es 5,8%. Die Steigerung kommt erst in einem Jahr; die Zeit bis dahin wird mit einer durchaus hohen Einmalzahlung überbrückt. Diese ist langfristig allerdings wertlos: Sie wirkt langfristig nicht auf die Rente, künftige prozentuale Steigerungen werden darauf nicht angewendet und vor allem: Der Preissprung ist (vermutlich) dauerhaft, der Lohnsprung aus der Einmalzahlung jedoch nicht. Deshalb: 5,8 bis 8% sind hinsichtlich der Inflationsrate vom Vorjahr und der allgemein erwarteten weiteren Inflation ein schwaches Ergebnis. Aber gut, das ist eben Verdi. Wie sieht es denn insgesamt aus?

Preise vs. Löhne

Die Grafik zeigt Außergewöhnliches: Typischerweise hat diese Darstellung von Lohn- und Preisindex einen Schnittpunkt, wo die Indizes ihren Referenzwert haben; hier 2020. Doch die Kurven schneiden sich nicht, sondern sie berühren sich. Was bedeutet das? Ab Anfang 2021 sind die Preise den Löhnen davongelaufen, und in den vergangenen zwei Jahren ist keine Aufholbewegung zu erkennen. Die Tarifabschlüsse der letzten Jahre waren also auch insgesamt äußerst schlecht (für Arbeitnehmer). Eine andere Darstellung zeigt dies noch deutlicher:

Inflation und Reallohngewinne

Nachdem es in den 10er-Jahren (geringe) Reallohnzuwächse gab, ist die grüne Kurve (Quotient der beiden anderen Steigerungsraten) ab Anfang 2021 tief ins Negative gestürzt. Hauptursache ist zwar die Inflation (rote Kurve), doch ausgerechnet in dieser Zeit waren die Tariflohnzuwächse besonders schwach und haben zuletzt auch nur das alte Niveau wieder erreicht. Der Auslöser dürfte einerseits in der kurzen Deflationsphase und den wirtschaftlichen Corona-Schäden liegen, die die finanziellen Spielräume der Unternehmen reduziert und damit die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften geschwächt haben. Aus Arbeitsplatzangst wurde auf hohe Forderungen verzichtet, und Aufholbewegungen oder gar Nachholeffekte sind nicht zu sehen.

Wozu führt das? Die Kaufkraft der überwiegenden Bevölkerung sinkt; dies ist einerseits der vielbeschworene Wohlstandsverlust der „kleinen Leute“, andererseits schwächt es die Wirtschaft insgesamt und übt so deflationären Druck aus. Es ist zwar nicht gesagt, dass es dabei bleibt, aber bisher ist von einer Lohn-Preis-Spirale nichts zu erkennen; bislang hält meine Prognose eines Abflauens der Inflation – erkauft von den Gewerkschaften mit dem Wohlstand der Arbeitnehmer.

Gegenwart