PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

Sehr empfehlen kann ich die jüngste Folge von „Die Anstalt“, der Nachfolgesendung von „Neues aus der Anstalt“, geleitet von Max Uthoff und Claus von Wagner. Ich war ja, als ich von der Nachfolge hörte, erst skeptisch, ob die beiden in die Fußstapfen von Priol, Schramm und Pelzig treten können. Sie können es, das haben die ersten zwei Sendungen gezeigt. Zum Konzept der Beiden gehört offenbar, pro Sendung ein größeres Thema neben dem aktuellen Politikgeschehen zu behandeln. Und so war gestern die Rente dran. Dabei werden auf großartige Weise die Rentenreformen der letzten Jahre abgearbeitet und die Profiteure benannt. Sehenswert!

Ich nehme das nun als Anlass, auch noch etwas dazu zu schreiben, um der bereits sachlich korrekten Darstellung der „Anstalt“ einen weiteren Aspekt hinzuzufügen. Seit gut zehn Jahren nun stellt Deutschland sein Rentenversicherungssystem um. Das seit Bismarck praktizierte Umlageverfahren, in dem die Beiträge der jetzt arbeitenden Generation auf die jetzt Rente beziehende Generation umgelegt werden soll, wird durch ein kapitalgedecktes Verfahren ersetzt. Unter dem Argument, bei rückläufiger relativer Größe der jetzt arbeitenden Generation im verhältnis zur Rentnergeneration sei das System nicht tragbar, soll nun jede Generation oder jede Person ihre eigene Rente ansparen, Kapital akkumulieren. Das Argument ist eingängig und wurde vielfach anhand von Bevölkerungspyramiden, die nicht wie Pyramiden sondern eher wie Eier aussehen, veranschaulicht. Wie soll das auch gehen, dass eine kleine Gruppe (die Arbeitenden) eine Armee von Rentnern durchfüttert?

Nun, die Sache hat ihren Haken im Detail: Wir haben – ob wir es wollen oder nicht – ein zweites Umlageverfahren, das so selbstverständlich ist, dass man auf Anhieb nicht drauf kommt: Wir legen Güter um. Die jetzt produzierten Güter werden auf die jetzt lebende Bevölkerung umverteilt. Dieses Güterumlageverfahren ist unvermeidlich, weil Güter im allgemeinen nicht dauerhaft lagerfähig sind (bzw. eine Lagerung nicht sinnvoll ist): Manche Dinge sind verderblich, andere verlieren ihren Wert, weil der technische Fortschritt neue, bessere Produkte möglich macht. Der Lagerbestand wird dann nicht mehr verkäuflich. Lagerung von Gütern, um sie im Alter konsumieren zu können, ist also im Allgemeinen kein sinnvolles Verfahren und findet darum auch nicht in großem Ausmaße statt.

Nun ist Geld ein Zahlungsmittel, und sein Wert entspricht dem, was man dafür kaufen kann. Gibt es viel Geld und wenig zu kaufen, ist das Geld wenig wert. Ist es umgekehrt, so ist Geld wertvoll. Was für Geld gilt, gilt auch für Kapital: Das angesammelte Kapital ist nicht mehr wert, als das Geld, was man im Hier und Jetzt dafür bekommt, wenn man versucht, das Kapital in liquide Zahlungsmittel (e.g. Geld) umzuwandeln. In der Frage der Altersvorsorge gilt dies umso mehr, als dass für die Rentner der Zwang besteht, hier und jetzt anstatt in ferner Zukunft Geld flüssig machen zu können, um hier und jetzt zu konsumieren (also nicht zu verhungern). Diese liquiden Zahlungsmittel, die man dafür erhält, sind soviel Wert, wie man dafür kaufen kann. Und das, was man für alles Geld einer Welt konsumieren kann, ist nunmal die gesamte Produktion dieser Welt (wenn man, wie oben vorausgesetzt, Lagerbestände als irrelevant betrachtet).

Es gilt stets und überall: Eine Volkswirtschaft kann in der langen Frist nur verbrauchen, was sie produziert. Und dadurch, dass jemand ein Sparbuch hat, wird nicht die Produktion mehr, sondern nur die Menge des Geldes. Derjenige, der dann Kapital angespart hat, hat einen Anspruch auf einen größeren Teil des Kuchens, den es zu verteilen gibt; Aber der Kuchen (an Gütern) ist dadurch nicht größer geworden (es handelt sich, allgemein gesprochen, um die Diskrepanz zwischen Partialsatz und Globalsatz der zugrundeliegenden Saldenmechanik). Ganz gleich, ob also im Umlage- oder Kapitaldeckungsverfahren das Alter abgesichert wird – die zu verteilende Gütermenge wird nicht kleiner oder größer. Das Demographieproblem (die eiförmige Bevölkerungspyramide) bleibt in jedem Rentensystem das selbe.

Treffen die düsteren Prophezeihungen mancher Demographen, durch den Rückgang der Erwerbsbevölkerung sei die Rente nicht finanzierbar, zu, so ist die Frage der Rentenversicherung die geringste Sorge dieses Landes: Sie lindert nicht die Armut, sondern verteilt sie um. In so einer Situation stünde die ganze Gesellschaft und nicht bloß eine Generation vor einer Katastrophe. Dass dieser Fall aber eintritt, ist eher unwahrscheinlich: Bevölkerungsbereinigt wächst unsere Wirtschaft seit Jahrzehnten kontinuierlich. Einen Grund zur Annahme, dass dies ein plötzliches Ende findet, gibt es nicht. Die Zugewinne der Produktivität werden die Rückgänge in der Erbstätigenzahl kompensieren können. Erst wenn die Wirtschaft schneller schrumpft als die Bevölkerung, schrumpft der Kuchen, der zu verteilen ist.

Das Problem, vor dem die Gesellschaft aber stehen wird, ist die Frage, wie der Kuchen dann verteilt wird. Im Kapitaldeckungsverfahren erfordert Umverteilung eine allgemeine Ab- oder Aufwertung von Vermögen, um die Besitzverhältnisse der Generationen relativ zu verändern. Ersteres – und im konkreten Fall einer schrumpfenden Bevölkerung wäre dies der realistische Fall – wäre eine Enteignung und als solche kaum durchzusetzen. Eine Umverteilung innerhalb der Generation ist überdies überhaupt nicht möglich. Das Kapitaldeckungsverfahren reduziert sich damit zum Recht des Stärkeren, dass eine Verstärkung der Umverteilung, die die demographischen Verschiebungen kompensieren könnte, erschwert. Zweitens schafft es nun eine Generation, die noch viel in die gesetzliche Rente einzahlt, später wenig rausbekommen wird, während sie parallel Geld für die eigene Rente zurücklegen muss. Damit schafft das Kapitaldeckungsverfahren zwei neue Probleme (ein permanentes Umverteilungsproblem und ein einmaliges Umstellungsproblem), ohne irgendein Altes zu lösen.

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