PKEuS' Blog

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Die Schwarz-Rote Koalition will die Digitalisierung der Schulen vorantreiben und dafür sorgen, dass alle Schüler irgendwelche digitalen Endgeräte wie Smartphones oder Tablets haben. Fefe hat das in seinem Blog bereits aufgegriffen (und mich damit auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht), aber ich muss da noch was hinzufügen, denn es ist nicht bloß Geldverbrennung, die Fefe in seinem Post hervorhebt. Es hat viel weitreichendere Folgen.

Gibt es eigentlich irgendeinen guten Grund dazu, Schüler mit Smartphones auszustatten? Mir ist nicht klar, was die Schüler im Unterricht damit Sinnvolles tun sollen. Vielleicht in Englisch und Deutsch mit Rechtschreibkorrektur Texte schreiben? Damit am Ende keiner mehr die Regeln der Rechtschreibung beherrscht? Vielleicht in Mathe Gebrauch vom im Gerät implementierten Taschenrechner machen? Kopfrechnen kann bzw. will heute schon kein Schüler mehr. Inzwischen gibt es aber auch Software, die komplette Kurvendiskussionen beherrschen. Computer und das Internet haben auf viele Fragen eine Antwort; Diese den Schülern „frei Haus“ zu liefern wird den Lernerfolg nicht steigern, sondern es sinkt die Motivation, eine Aufgabe selbst zu lösen. Rechnen, Analysieren und Texte verfassen soll man in der Schule lernen, dazu noch Faktenwissen. Fakten kriegt man auch aus Büchern (und Fakten, die sich so schnell ändern, dass Bücher zu schnell veralten, taugen nicht als von der Schule zu vermittelnde Allgemeinbildung). Die Fähigkeiten hingegen lernt man nicht, indem man das Gerät für sich arbeiten lässt. Ein Schreibprogramm zu bedienen ist Anwendungswissen. Die Schule ist aber keine Berufsausbildung, kein Training für eine bestimmte spätere Tätigkeit, sondern sie soll die Schüler befähigen, denkende Menschen in der Gesellschaft zu werden – auch wenn mir Lehrer bekannt sind, deren Zielsetzung darin besteht, mit den Schülern fürs Berufsleben zu trainieren. Die Digitalisierung der Schulen wird unter diesem Argument immer wieder gefordert, von den Unternehmen im eigenen Sinne, von den Lehrern im besten Interesse für den einzelnen Schüler. Die gesamtgesellschaftliche Konsequenz, eine Generation von Marionetten heranzuziehen, die zwar wissen, wie sie an die Informationen kommen, aber sie nicht mehr verstehen, oder gar selbst entwickeln können, wird vergessen.

Man muss sich auch einmal vorstellen, wie ein solches Klassenzimmer „der Zukunft“ aussieht, wenn man daran denkt, was heute in Klassenzimmern bereits passiert. Bereits jetzt hat nahezu jeder Schüler – vermutlich schon in der Grundschule – ein Handy. Das ist für die Lehrer ein gewaltiges Problem, buhlen sie doch mit den Handys um die Aufmerksamkeit der Schüler. Diese haben die Handys stets eingeschaltet und nur zu oft auf dem Tisch liegen, „checken“ ihre SMS im Unterricht, schreiben auch welche, surfen inzwischen auch im Internet. Wer nun für jeden Schüler ein entsprechendes Gerät einführt, leistet quasi Beihilfe zum Surfen im Internet anstatt dem Unterricht zu folgen. Es ist bereits jetzt bei jedem Besuch einer Schulklasse im Computerraum der Schule zu beobachten, dass auf jedem Bildschirm irgendwelche Spiele gespielt werden, Facebook geöffnet ist oder einfach zur im Netz gesurft wird. Computer in Schulen mögen eine grandiose theoretische Idee zur Aufbereitung und Präsentation der Inhalte sein, nur sie scheitert (schon in ihren jetzigen Ansätzen) an der Praxis: Die Computer/Smartphones können mehr, als gut ist. Sie bieten Ablenkung, sie können den Schülern Ergebnisse quasi vorsagen. Das ist, ganz im Sinne von Dürrenmatts „Die Physiker“, auch nicht durch irgendwelche Sperren zu verhindern: „Was einmal gedacht wurde, kann nie mehr zurückgenommen werden.“

Geradezu ein Hohn ist es aber, in Zeiten der NSA Handys verpflichtend als Unterrichtsmaterial in die Schulen zu bringen. Handys sind ortbar, damit ein Überwachungsinstrument. Helikoptereltern nutzen das ja übrigens auch bereits, um ihre Kinder stets im Blick zu behalten: Sie orten ihre eigenen Kinder über das ihnen mitgegebene Kinderhandy. Handys enthalten auch sensible Informationen über die Schüler (und ihre Freunde, in Form des Adressbuchs) – die eigentlich zusehen sollten, nicht überall ihre digitale Spur hinter sich her zu ziehen. Aber andererseits werden die Daten der Schüler wohl eh schon auf dem Markt gehandelt. Immerhin gibt es Schulen, an denen Schüler ohne deren Zustimmung (oder der der Eltern) an Online-Lernplatformen wie dem „Lo-Net“ angemeldet wurden, das mittlerweile dem Konzern Bertelsmann gehört. Darum wird wohl jede Aufregung über das Thema zu spät und folgenlos sein.

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