PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

In der Politik sind „Spindoktoren“, ein aus der angelsächsischen Politik stammendes Konzept, Personen und Gruppen, die versuchen, den Fakten die „richtige“ politische Färbung zu geben. So gilt es bei TV-Duellen von Spitzenpolitikern insbesondere in den USA weniger als entscheidend, wer tatsächlich besser war (soweit man das überhaupt sagen kann), sondern darum, welche Seite die geschickteren Spindoktoren hat, die im Anschluss in Talkshows und Interviews das Duell analysieren. Diese Spin-Doktoren findet man auch in der deutschen wirtschaftspolitischen Debatte:

Nun haben die Fakten mal wieder Bände gesprochen und zur Abwechselung haben „Topökonomen“ und Spitzenpolitiker zugehört. Auch wenn Wirtschaftsminister Gabriel weiterhin gedämpften Optimismus verbreitet, wenn er eine „im europäischen Vergleich immer noch eine ausgesprochen gute Konjunkturentwicklung“ betont, setzt sich bei den Wirtschaftsforschungsinstituten doch die Erkenntnis durch – die kompetente Ökonomen schon länger haben, dass die optimistischen (und trotzdem mit weniger als 2 % Wachstum schon immer schlechten Konjunkturprognosen) Prognosen nach unten zu korrigieren sind. Anlass dazu sind die neuen Daten zur monatlichen Produktionsentwicklung, die saisonbereinigt (!) einen Einbruch um 4 % verzeichnen. Dieser Schock hat sogar zu spontanen Erkenntnisgewinnen beim DIW geführt: „Ich halte die schwarze Null derzeit aus ökonomischer Sicht für nicht angebracht“, erzählt ein Ökonom des DIW der Presse.

Doch Dorothea Siems wäre nicht Dorothea Siems, wenn sie und ihre Kollegen nicht der Sache noch einen für sie positiven „Spin“ verpassen könnten: Die schlechte Wirtschaftsentwicklung sei von der Bundesregierung verschuldet, und zwar durch ihre „linke“ Politik, durch Mindestlohn und Rente mit 63. Dass die Regierung schuld ist, stimmt zwar, aber hier wird offensiv links mit rechts und das Richtige mit dem Falschen vertauscht. Der Spiegel und Focus Money ziehen zu dieser Diagnose „Forscher“ heran, mit dem Tenor, die Volkswirte seien sich darüber einig, dass die Regierung Geschenke verteilt, die nun die Wirtschaft schwächen würden. Was keineswegs der Fall ist, Heiner Flassbeck (s.o.), Peter Bofinger und Gustav Horn sind nur drei Beispiele. Die Welt beklagt erst Wirtschaftsfeindlichkeit der Politik – eine gewagte These – und fordert dann, in Person von Frau Siems (s.o.), eine neue Reformagenda – wie üblich. Und die Falken unserer Haushaltspolitik, Schäuble und Weidmann, dürfen bei n-tv vor Strohfeuern warnen und zu fortgesetzter Haushaltsdisziplin mahnen.

Nach den kritischen Stimmen Flassbeck, Bofinger und Horn, die ich oben verlinkt habe, muss man erst mühevoll suchen; die Spindoktoren der Neoliberalen können dagegen aus allen Rohren ihre Botschaften unter großer Aufmerksamkeit herumposaunen. Es ist schwieriger, sie zu übersehen als sie zu finden. Damit wird die Sache ihren „passenden“ Spin kriegen: Schuldenabbau müsse sein (wird uns tiefer in die Krise führen, sodass man dann mehr davon fordern muss), Strukturreformen seien notwendig (werden die Krise verschärfen, und dann braucht es auch wieder mehr davon). Ich prophezeihe mal: Die neue Welle der Wirtschaftskrise wird auch wieder einen unpassenden Namen bekommen, so wie die Euro- und Finanzkrise als „Staatsschuldenkrise“ bezeichnet wurde, um der Krise die Konnotation zu geben, die hohen Staatsschulden seinen ihre Ursache. Ich schlage den Neoliberalen diesmal „Strukturkrise“ vor, damit die Medizin auf „Strukturreformen“ hinausläuft.

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