PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

In einem meiner Beiträge zur Bundestagswahl 2013 habe ich die vorige Bundesregierung und das Verkehrsministerium dafür kritisiert, dass sie in der Verkehrspolitik keine Fortschritte erzielt haben. Das gilt leider für die gegenwärtige Bundesregierung nicht minder. Noch immer sind Staus, Verkehrslärm, Schadstoffemissionen, schlechte Erreichbarkeit ländlicher Regionen, beschädigte Infrastruktur und Unzuverlässigkeit zentrale Probleme des deutschen Verkehrsnetzes. In der Serie „Verkehrspolitik“ möchte ich das näher ausführen und Vorschläge machen, wie die Probleme in den Griff zu kriegen sind. Im ersten Schritt ist es dazu nötig, zunächst das Problem zu analysieren.

Seit 1950 hat sich das Bild des Verkehrs in Deutschland gewandelt wie wenig andere Bereiche des öffentlichen Lebens. Das ist zwei markanten Entwicklungen geschuldet, nämlich der Zunahme und Verlagerung des Verkehrs einerseits und der Individualisierung des Verkehrs andererseits. So ist einerseits der Transportbedarf unserer Wirtschaft und der Menschen enorm gestiegen: Die Globalisierung impliziert, dass Güter weitere Wege nehmen, während lokale Produktion praktisch bedeutungslos geworden ist. Güter werden zentral produziert oder gar importiert und im ganzen Land verkauft, wozu deren Verteilung nötig ist. Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die erheblich weiter fortgeschrittene Urbanisierung und die gewachsenen Freizeit- und Urlaubsmöglichkeiten haben auch den Bedarf an Personenbeförderung vervielfacht. Die Menschen pendeln heute zur Arbeit, während man früher zumeist nah am (oder gar im eigenen) Betrieb lebte und zu Fuß oder mit dem Rad zur Arbeit ging. Zum Einkaufen fährt man in Supermärkte und „Outlet-Center“, zum „Shoppen“ in die Innenstadt, in der die Läden konzentriert sind, aber niemand wohnt. In Scharen besuchen tausende Menschen Fußballspiele, Konzerte und Messen, was vor 60 Jahren unvorstellbar war. Insgsamt hat sich der Lebensradius der Menschen von einem kleinen Umfeld des Ortes oder Ortsteils auf den Umfang von ganzen Regionen erweitert. Andererseits prägte der beispiellose Siegeszug des Automobils, also des Individualverkehrs, die vergangenen 60 Jahre. Der steigende Lebensstandard und die besseren Möglichkeiten (und nach Kriegsende freigewordenen Kapazitäten) zur Massenfertigung ermöglichten es erst Familien, heute quasi jedem erwachsenen Familienmitglied, ein eigenes Auto zu besitzen. Zeitgleich mit dem Anstieg des Verkehrsaufkommens veschoben sich die Anteile der Verkehrsmittel soweit, dass heute mehr als 80 % des Verkehrs auf das Auto entfallen. Vergleichbar zugenommen hat auch der Straßengüterverkehr. Während die Verschiebung der Verkehrsmittel vor allem vor 1990 stattfand (der Anteil des Straßenverkehrs ist seit 1995 konstant), stieg die gesamte Beförderungsleistung kontinuierlich weiter – zwischen 1995 und 2012 beispielsweise um 12,2 %.

Die Zunahme des Verkehrsaufkommens, dessen Verteilung und der hohe Anteil des Individualverkehrs an diesem sind die Kernprobleme der Verkehrspolitik, und zwar seit Jahrzehnten. Im städtischen Bereich (und zwar insbesondere dort – siehe unten) kämpft der Straßenverkehr mit Stau, Lärm, Emissionen und Straßenschäden. Diese sind auf viel Verkehr und dadurch bedingte starke Beanspruchung des Verkehrsnetzes zurückzuführen. Dadurch treten Überlastungserscheinungen wie Stau und Schäden auf, während Lärm und Emissionen durch den motorisierten Verkehr auch ohne Überlastung verursacht werden. Autobahnen, früher meist bloß 4-spurig, werden ausgebaut; So steht neuerdings der Ausbau der A2 auf langer Strecke auf 8 Spuren zur Debatte. Auch öffentliche Verkehrsmittel waren und sind überlastet: Menschen klagen über überfüllte Züge, die zudem verspätet sind, was die Bahn zuweilen bemerkenswert klar auf „Fahrgastandrang“ oder „Verzögerungen beim Ein- und Ausstieg“ zurückführt. Gebäude des öffentlichen Verkehrs erweisen sich als zu klein und Strecken in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet gelten als Kapazitätsengpässe, deren Ausbau gefordert und manchmal auch erwogen wird. Überlastung tritt hier bei allen Verkehrsmitteln auf, hier ist das Aufkommen das Problem.

Mehr oder weniger paradoxerweise können derartige Zustände im ländlichen Raum nur bedingt beobachtet werden. Den dort schon immer geringer ausgebauten Kapazitäten stehen zugleich überproportional geringere Auslastungen gegenüber. Auf den überregionalen Autobahnen sind zwar ebenso Staus zu beobachten, aber der Blick auf die Schienenverkehrsentwicklung zeigt dennoch deutlich, dass im regionalen Rahmen die Verkehrsmenge im ländlichen Raum nicht so problematisch ist: Dort wurden insbesondere zwischen 1970 und 2000 in enormem Ausmaß Strecken wegen zu geringer Auslastung stillgelegt. Zwar ist das Platzangebot für Verkehrsinfrastruktur im ländlichen Raum naturgemäß größer, ebenso wie die Bevölkerungsdichte und damit das Verkehrsaufkommen geringer sind – dem steht aber gleichwohl gegenüber, dass im ländlichen Raum oft größere Wege zurückgelegt werden müssen und zugleich die Infrastruktur schwächer ausgebaut ist. Im Gesamtbild ergibt sich damit, dass hier weniger das Verkehrsaufkommen als dessen Verteilung auf die Verkehrsmittel problematisch ist. Die räumliche Disparität im Verkehr zeigt somit eine Fehlentwicklung, auf deren Ursache ich im nächsten Beitrag eingehen möchte.

Diesen zwei Kernproblemen, ihrer Entstehung und Möglichkeiten zur Überwindung möchte ich mich in den folgenden Beiträgen widmen.

Gegenwart