PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

Am 22.09.2013 wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Im beginnenden Endspurt zur Wahl möchte ich mich jede Woche zu einem Wahlthema zu Wort melden. Nach der „Ausschließeritis“, den Koalitionsoptionen und den Wahlkampfstrategien der Parteien soll im letzten Teil vor der Wahl die Arbeit der vergangenen Regierung einer kritischen Betrachtung unterworfen werden.

Als Wunschkoalition von sowohl CDU als auch FDP ist die gegenwärtige Bundesregierung als Nachfolger der großen Koalition angetreten, mit einem mittelmäßigen CDU-Ergebnis, einer unerwartet starken FDP und insgesamt recht großer Parlamentsmehrheit wurde die Regierung unter Angela Merkel mit Vizekanzler Guido Westerwelle (damals FDP-Vorsitzender) gebildet. Personell wurde die Legislaturperiode von Skandalen belastet und die Regierungspolitik davon oftmals überschattet. Bereits kurz nach der Wahl trat Franz-Josef Jung (CDU) als Arbeitsminister zurück wegen der Kundusaffäre aus seiner Zeit als Verteidigungsminister der vorigen Legislaturperiode. Seine Nachfolgerin wurde Ursula von der Leyen, die fortan im Dauerstreit mit ihrer ungeliebten Nachfolgerin Kristina Köhler (jetzt Schröder, CDU) lag. Der Verteidigungsminister der Koalition, Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) trat 2011 zurück, nachdem seine Dissertation als Plagiat enttarnt wurde, was er vehement bestritt und dann, als es nicht mehr zu bestreiten war, als Schlampigkeit darzustellen versuchte. Ebenso wurde die Dissertation von Annette Schavan (CDU, bekannt als Freundin von Kanzlerin Merkel) als Plagiat enttarnt, die pikanterweise erstens Ministerin für Bildung war und zweitens sich recht abwertend über zu Guttenberg geäußert hatte. Nachfolger als Verteidigungsminister wurde der vorige Innenminister, Thomas de Maizière (CDU). Dieser steht nun in der Euro-Hawk-Affäre unter Druck, weil er trotz Warnungen am Rüstungsprojekt lange festhielt, wodurch staatliche Mittel verschwendet wurden. Hans-Peter Friedrich (CSU) wurde bei dieser Personalrochade Innenminister. In seiner Amtszeit wurde die NSU-Affäre publik. Kanzleramtsminister Pofalla steht nun in der NSA-Affäre als Zuständiger für Geheimdienstkontrolle im Zentrum eines Skandals. Nach der verlorenen Landtagswahl in NRW veranlasste Angela Merkel die Entlassung von Norbert Röttgen (CDU) als Umweltminister. Im Rahmen des Absturzes der FDP unmittelbar nach der Wahl in Umfragen und Landtagswahlen auf oft unter 5 %, z.T. unter 3 % tauschte die FDP außerdem ihre Minister: Guido Westerwelle blieb Außenminister, verlor aber das symbolische Amt des Vizekanzlers. Der neue FDP-Vorsitzende und vorige Gesundheitsminister Philipp Rösler beerbte Rainer Brüderle als Wirtschaftsminister. Letzterer wurde Fraktionsvorsitzender und ist nun Spitzenkandidat der FDP. Zwischenzeitlich unter Druck geriet Dirk Niebel (FDP, Entwicklungshilfeminister), als ihm vorgewurfen wurde, er habe versucht, einen Teppich am Zoll vorbei aus Afghanistan einzuführen. Ebenfalls wurde ihm vorgeworfen, in exorbitantem Stil Parteifreunde in seinem Ministerium zu beschäftigen. Unter Verkehrsminister Ramsauer eskalierte die Situation um mehrere Infrastrukturprojekte (BER, Stuttgart 21) sowie der aktuelle Stellwerksausfall in Mainz. Zusammengefasst traten 4 Minister zurück. Insgesamt 7 Minister und Ministerien waren in größere Skandale verwickelt. Lediglich 8 Ministerien (Justiz, Gesundheit, Familien, Äußeres, Landwirtschaft, Finanzen, Wirtschaft und Umwelt) blieben von größeren Skandalen im engeren Sinne um ihre Minister oder Politik verschont. Die Bundesregierung als skandalträchtig zu bezeichnen, ist somit sicher nicht übertrieben.

Das Bundesfinanzministerium wird von Wolfgang Schäuble (CDU) geleitet. Ein kleiner Aufreger war die öffentliche Zurechtweisung seines Pressesprechers. Bemerkenswerter war jedoch die Europolitik und der Sparkurs: Im Ministerium wurde die Austeritätspolitik maßgeblich entwickelt und gefördert. Monetaristische regierungskritische Ökonomen von Bundesbank und EZB, Axel Weber und Wolfgang Stark, wurden nach ihren Rücktritten durch monetaristische aber regierungstreue Beamte und Berater, Jörg Assmussen und Jens Weidmann, ersetzt. Auf Griechenland und andere Krisenländer wurde massiver politischer Druck ausgeübt, der Minister reiste in der Rolle des Sparkomissars nach Athen. Damit wurde außenpolitisch und ökonomisch eine Menge Porzellan zerbrochen, weil die Bundesregierung nicht legitimiert ist, sich so massiv in die innere Politik anderer Länder einzumischen, und weil die dabei verfolgte Wirtschaftspolitik unsinnig ist. Auch im Inland wurde ein Sparkurs gefahren, ohne dass die Verschuldung auch nur langsamer gestiegen ist. Vollmundig angekündigt wurde eine Bändigung der Finanzmärkte inklusive einer Finanzmarkttransaktionssteuer. Geschehen ist absolut garnichts.

Das Umweltministerium – zunächst von Norbert Röttgen, inzwischen von Peter Altmaier geleitet – hat wenig zur Umweltpolitik in Deutschland beigetragen. Zunächst wurde der Ausstieg aus dem Atomausstieg hingenommen. Unter politischem Druck sah sich die Regierung dann erneut zur Kehrtwende gezwungen und kassierte die eigene Entscheidung. Der Umweltminister sorgte zwar für die Abschaltung einiger Atommeiler, allerdings ist der neue Atomausstieg gemessen an der politischen Entstehungssituation, in der mehr hätte erreicht werden können, weichgespült. Die von Röttgen ausgerufene Energiewende ist gründlich gescheitert und konnte auch von Altmaier nicht gerettet werden. Es fehlt an Stromtrassen, die Solarindustrie in Deutschland ist vollständig kollabiert. In der Frage des Salzstocks Gorleben wurde lediglich ein unbrauchbarer Kompromiss erzielt, da zahlreiche plausible Standorte weiterhin ausgeschlossen werden und der neue Zeitplan höchst langsam ist. Energiepolitisch und Umweltpolitisch ist die Bundesregierung auf ganzer Linie gescheitert. Die Posse um den Atomausstieg zeigt auch, dass dies einzig und allein durch eben dieses Regierung selbst zu verantworten ist.

Die Sozialministerin von der Leyen (CDU), die nach wenigen Monaten bereits dem bedeutungslosen Minister Jung folgte, fiel (nach ihrer „für die Kinder“-Show der vorigen Legislaturperiode als Familienministerin) erneut vor allem durch Öffentlichkeitsarbeit auf. Ihre Projekte, z. B. die Lebensleistungsrente waren Rohrkrepierer. Der Sozialbericht, der aus ihrem Haus stammt, wurde vom Wirtschaftsminister entkernt, ohne dass sie entsprechend Widerstand geleistet hat. Über prekäre Beschäftigung und Arbeitslosigkeit verkündete sie mehrfach Besorgnis, sowie Freude über die Arbeitslosenzahl insgesamt, tat jedoch nichts zur Verbesserung der Lage. Insgesamt wurde arbeits- und sozialpolitisch nicht mehr als Blendwerk vollbracht.

Im Familienministerium wurde unter Kristina Köhler/Schröder (CDU) das CSU-Projekt „Betreuungsgeld“ umgesetzt. Dieses wird von nahezu allen Politikern außerhalb der CSU abgelehnt und auch in der Regierung kritisiert. Debattiert wurde zudem über den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Zwar verkündete das Ministerium Vollzug, der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist allerdings fraglich, auch weil die räumliche Verteilung der Kita-Plätze suboptimal ist. Vom Ministerium selbst gingen (auch in dieser Frage) insgesamt wenig konstruktive Akzente aus.

Das Kanzleramt, sonst eher unscheinbar, geriet in dieser Legislaturperiode unter dem wahrscheinlich schlechtesten Kanzleramtsminister aller Zeiten, Ronald Pofalla (CDU) in den Strudel von Skandalen. So wurde er gegenüber Fraktionskollegen wie Wolfgang Bosbach ausfallend („Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“), bezeichnete die Gewissensfreiheit als „Scheisse“ und versank im Wahlkampf im Geheimdienstsumpf um die NSA. Seine Rolle als Strippenzieher im Hintergrund, der die Koalition zusammenhält, erfüllte er nicht. Pofalla, zuständig für Geheimdienstkoordination, behauptete, nichts von der NSA-Affäre und der Beteiligung des BND zu wissen und erklärte die Aufklärung für abgeschlossen, ohne das irgendetwas abgeschlossen war. Das mag taktisch geschickt gewesen sein, wird aber den Anforderungen an einen Minister nicht gerecht.

Im Verkehrsministerium unter Peter Ramsauer (CSU) sind keine großen Projekte in der vergangenen Legislaturperiode voran gebracht worden. Stuttgart 21 eskalierte, in Mainz fiel ein Stellwerk wegen Personalmangels infolge des Börsengangs aus und landesweit stellen sich zahlreiche Autobahnbrücken als marode heraus. Der Minister zeigte sich weitgehend unbeeindruckt, sodass weder bei Stuttgart 21 noch beim Bahnbörsengang zur Vernunft zurückgekehrt wurde. Ersatzweise wurde auf Nebenkriegsschauplätzen für Stimmung gesorgt, z. B. mit regelmäßigen Denglisch-Kritiken vom Minister, die weder falsch noch wichtig waren. Es ist Minister Ramsauer genauso wie seinen Vorgängern anzulasten, dass er sehenden Auges die Infrastruktur verrotten lässt, sich vornehmlich für Straßenverkehrspolitik interessiert und den Börsengang der Bahn propagiert (auch wenn er ihn zum Glück nicht voranbringenkonnte). Eine weitere verlorene Legislaturperiode für die Infrastrukturpolitik. In der Frage der Mietpreisexplosion, für die er ebenfalls zuständig ist, hüllte man sich in Schweigen. Wahlkampfversprechen (Mietpreisbremse) überließ man der Kanzlerin selbst, handeln tat man nicht. Stattdessen trat der Minister auf Veranstaltungen des Lobbyverbands „Haus&Grund“ auf und bedankte sich (sic!) für deren Lobbyarbeit.

Die Außenpolitik (exklusive der Europapolitik, die ja eher im Finanzministerium entstand) ist einigermaßen paradox wargenommen worden. Nachdem Minister Westerwelle (FDP) mit der (fachfremden) Äußerung über „spätrömische Dekadenz“ in Deutschland für berechtigte und fraktionsübergreifende Kritik gesorgt hat, die ihn letztlich den Parteivorsitz gekostet hat, wurden einige wichtige Entscheidungen im Auswärtigen Amt getroffen, zumal man Mitglied des Sicherheitsrats der UN wurde, was jedoch nicht Verdienst dieser Regierung war. So wurde im „arabischen Frühling“ mit Enthaltung (was als Mitglied der Nato quasi ein „Nein“ ist) zu einer Flugverbotszone über Libyen gestimmt. Diese richtige Entscheidung wurde vielfach kritisiert, insbesondere von der Opposition von Grünen und SPD, die einmal mehr einen Auslandseinsatz der Bundeswehr herbeiführen wollten. Diese Entscheidung aus Westerwelles Ministerium war bemerkenswert, weil Angela Merkel und ihre CDU (damals Opposition) für den Irakeinsatz gestimmt hätten. Die Entscheidung hat sich – angesichts der Kriegsentwicklung in Libyen – als richtig herausgestellt, zumal eine Demokratie dort nicht in Sicht ist. Auch im Fall Syrien nahm das Außenministerium bislang eine eher moderate und moderierende Rolle ein – was angesichts der Beobachtung, dass die syrische Opposition überwiegend undemokratisch ist, sich ebenfalls als richtig erwies (Was den Giftgasangriff betrifft, ist ja bislang nicht bewiesen, wer der Urheber war. Das er durch militärisches Eingreifen hätte verhindert werden könnte, ist aber zu bezweifeln). Insgesamt ist die Außenpolitik der Regierung einigermaßen zufriedenstellend gewesen, wenn sie auch paradoxerweise vielfach von verschiedener Seite und insbesondere für die besseren Entscheidungen kritisiert wurde.

Das Entwicklungshilfeministerium unter Minister Dirk Niebel (FDP) hingegen hat eine gegenteilige Entwicklung hinter sich. Der Minister, der im Wahlkampf zuvor antrat, es abzuschaffen, schaffte es dadurch in seiner ursprünglichen Konstruktion ab, indem er die neugeschaffene GIZ als Hauptorgan der Entwicklungshilfe an wirtschaftlichen Kriterien ausrichte. Damit wurde es zur Außenstelle des Wirtschaftsministeriums und kann nur schwerlich weiter Entwicklungshilfeministerium genannt werden. Nur seinem Namen als Ministerium für „wirtschaftliche Zusammenarbeit“ macht es noch alle Ehre. Schlagzeilen machte der Minister vor allem mit der Teppich-Affäre, der massenhaften Anstellung von FDP-Politikern in seinem Haus und seinen Auftritten mit Bundeswehrmütze. Die Entwicklungshilfe wurde binnen einer Legislaturperiode weitgehend entkernt, was der Minister als Beseitigung der Spuren seiner Vorgängerin feierte. Auch wenn eine gewisse Filzbeseitigung nach jahrelang unveränderter Führung des Hauses sinnvoll ist, ist er über das Ziel weit hinaus gegangen. Von dem Ziel, 0,7 % des BIP ab 2015 in Entwicklungshilfe zu investieren, ist man übrigens weit entfernt.

Wenig konstruktive Politik wurde zwar im Justizministerium unter Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) betrieben, was allerdings quasi ein positives Signal ist. Die bekanntermaßen der Einschränkung von Freiheit, Demokratie und Grundrechten abgeneigte Ministerin war in diesen Fragen das Feigenblatt der Regierung und erweckte oft den Eindruck, dass sie die einzige in der Regierung ist, die diese Position (wenigstens öffentlich) vertritt. Bei bloßer Öffentlichkeitsarbeit ist es jedoch oft geblieben, zahlreiche Skandale, wie die Überwachung durch NSA und GCHQ, geschahen am Justizministerium vorbei. Erfolg hatte sie jedoch bei der Blockade der Vorratsdatenspeicherung, die sie trotz EU-Vorschriften und angedrohtem Vertragsverletzungsverfahren mit Sanktionen gegen Deutschland bislang verhindern konnte. Sie zeigt, dass das 0815-Argument vieler Politiker, dass man nichts machen könne, wenn Vorschriften von der EU kommen, nur zutrifft, wenn den auf Bundes- oder Landesebene Zuständigen das Rückrat fehlt, sich für ihre Position einzusetzen.

Das vierte FDP-geführte Ministerium ist das Gesundheitsministerium unter zunächst Philipp Rösler und anschließend Daniel Bahr. Dort wurde der „Pflege-Bahr“ unter letzterem Minister entwickelt, der eine fragwürdige Privatisierungsbemühung in der Pflegeversicherung ist. Positiv zu bewerten ist hingegen die (parteiübergreifend gewünschte) Abschaffung der Praxisgebühr, die dann – nach langem Warten – tatsächlich umgesetzt wurde – allerdings im Tausch gegen das Betreuungsgeld.

Das letzte FDP-Ministerium ist das Wirtschaftsministerium mit den Ministern Rainer Brüderle und Philipp Rösler. Dem „Schlüsselressort“ wird, obwohl es meist eher hintergründig agiert, eine hohe Bedeutung beigemessen. Tatsächlich verhielt es sich vor allem als Sprachrohr wirtschaftlicher Interessen und kann als eines der blockierendsten Elemente in der Energiewende angesehen werden. Insbesondere im Ausstieg aus dem Atomausstieg entfaltete es diese Wirkung. Ansonsten fiel es nur negativ durch die stets geäußerte Parole „Deutschland geht es gut“ auf – einer einseitig ökonomischen und zudem kurzfristigen Betrachtung. Sie ist außerdem falsch, sofern man sie nicht als vergleichend zu anderen europäischen Ländern auffasst.

CSU-Ministerin Ilse Aigner fiel im Bereich Landwirtschaft und Verbraucherschutz abermals durch beredte Untätigkeit auf. Wie üblich tauchten mehrere Lebensmittelskandale während ihrer Amtszeit auf, in der sie stets mehr Kontrolle und Selbstkontrolle forderte. Das dürfte – wie stets – wirkungslos bleiben. Zu den weiteren rein symbolischen und wirkungsfreien Maßnahmen, diesmal zur Datenschutzpolitik, zählt die Kündigung ihres Facebook-Accounts aus Protest, ohne jedoch Hebel in Bewegung zu setzen, durch den Gesetzgeber Maßnahmen zu ergreifen. Unsichtbar blieb sie in der Datenschutzaffäre um die NSA, die ihr Ressort zumindest tangiert.

Im Innenministerium passierte in der Amtszeit Thomas de Maizières (2009 – 2011) zunächst wenig Spektakuläres. Der Minister zeichnete sich durch gewisse Zurückhaltung bei der Aussprache von Terrorwarnungen aus und erntete (im Nachhinein) auch für sein Engagement in der Islamkonferenz Lob. Wie sich im Nachhinein aber auch herausstellte, wurde auch in seiner Amtszeit in der noch unentdeckten NSU-/Rechtsextremismusproblematik kein Fortschritt erzielt. Diese kam unter seinem Nachfolger Hans-Peter Friedrich ans Licht, wenn auch keineswegs durch eine aufklärerische Glanzleistung der Behörden. In dieser Affäre geriet erst der Verfassungsschutz und dann der Innenminister, nachdem er hastig Beamte entließ, in die Kritik. Massenhaft wurden im Innenministerium wichtige Akten geschreddert (womit der Ruf des früheren Ministers De Maizière als „Aktenfresser“ eine ganz neue Bedeutung erhielt) Kritik erntete Friedrich auch für den Stillstand in der Islamkonferenz, der im Wesentlichen auf die Haltung des neuen Ministers zurückzuführen ist. Besonders negativ in Erscheinung trat der Minister dann, als die NSA-Affäre durch Edward Snowden publik wurde. Vom für Verfassungsfragen zuständigen Ministerium kamen weder großes Verständnis, noch ernsthafte Aufklärungsbemühungen. Friedrich wurde von Merkel zur Aufklärung/Beschwichtigung in die USA geschickt und kehrte mit völlig leeren Händen zurück. Gefordert hat er wohl lediglich mehr Einblick für die deutschen Geheimdienste. Die wirkungslose Aufhebung von ein paar Geheimverträgen ist faktisch irrelevant. Somit schlitterte das Innenressort nach dem Führungswechsel erneut in den Überwachungsstaat- und Intoleranzmodus (der den Unions-Innenexperten, wie Hans-Peter Uhl alle Ehre macht). Die verfassungsgemäß freiheitlich-demokratische Grundordnung der BRD wurde durch die Politik des Innenministeriums geradezu unterminiert.

Eines der wirklich großen Projekte der Legislaturperiode wurde im Verteidigungsministerium unter Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) unternommen: Die Bundeswehrreform inklusive faktischer Abschaffung der Wehrpflicht. Zu Guttenberg schaffte es, ausgerechnet seine Partei zur Aufgabe der Wehrpflicht zu bewegen und setzte deren Aussetzung bemerkenswert schnell durch. Die tatsächliche Umsetzung der restlichen Reform war jedoch eher hektisch, unsachgemäß und hat nicht allzu gut funktioniert, sodass der nachfolgende Minister de Maizière (CDU) die Arbeit seines Vorgängers stark kritisierte. Über die Legislaturperiode hinweg wurde die Misswirtschaft in der Euro-Hawk-Beschaffung fortgeführt. Dieses aus früherer Zeit übernommene und immer problematischer werdende Projekt wurde von Minister zu Guttenberg nicht und von Minister de Maizière erst sehr spät gestoppt. De Maizière musste dafür viel berechtigte Kritik einstecken.

Die Bundesregierung Merkel hat zwar in manchen Fragen positive Akzente setzen können (z. B. Außenpolitik exklusive Europa), scheiterte aber auf umso mehr Politikfeldern auf ganzer Linie. Die Umwelt- und Energiepolitik erwies sich als vollkommen kopf- und planlos und kann als vollständig gescheitert betrachtet werden. Mit Nachdruck betrieb man die sinnlose Austeritätspolitik, die den Ruf Deutschlands in Europa nachhaltig beschädigt hat und die deutsche Volkswirtschaft langfristig zu ruinieren droht. Ruinös für die Demokratie und Verfassung war die Sicherheitspolitik rund um NSU- und NSA-Skandale, in der die Minister und Koalitionspolitiker mehrheitlich durch mangelndes Verständnis für Freiheit, Demokratie, Verfassung und Grundrechte negativ auffielen. Somit dürfte die Regierung innerhalb einer Legislaturperiode annähernd soviele Schäden angerichtet haben, für die Rot-Grün 7 Jahre Zeit brauchte. Das ist eine bemerkenswerte Bilanz.

Gegenwart