PKEuS' Blog

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Am 22.09.2013 wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Im beginnenden Endspurt zur Wahl möchte ich mich jede Woche zu einem Wahlthema zu Wort melden. Nach der „Ausschließeritis“ und den Koalitionsoptionen soll nun der Fokus auf die Wahlstrategien der Parteien gelegt werden.

Der CDU und ihrer Vorsitzenden, Kanzlerin und Spitzenkandidatin Angela Merkel wird vorgeworfen, Inhalte aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Stattdessen wird mit der Popularität der Kanzlerin gearbeitet. Das trifft auch zu. Sie ist auf den Plakaten zu sehen, gleichzeitig versucht man das Motto „Deutschland geht es gut“ als Wahlkampfgefühl zu etablieren. Insgesamt hat die CDU keine inhaltliche, sondern eine inhaltsvermeidende Strategie, und diese spielte ohnehin nur eine Rolle, wenn der politische Gegner eine ernsthafte Herausforderung bieten würde. Die inhaltsvermeidende Strategie jedoch wird getragen von dem medialen Grundtenor und der fehlenden inhaltlichen Wucht der SPD (siehe unten).

Die FDP ist aus einer denkbar schlechten Ausgangslage gestartet – unterhalb der 5-%-Hürde, z.T. sogar unterhalb von 3 % in Umfragen, dazu höchst schlechte Beurteilungen der Regierungsarbeit in Umfragen. Die FDP konzentriert sich darauf, deswegen ihren Vorsitzenden Philipp Rösler – rhetorisch eher weniger begabt und in der Regierung – aus dem Wahlkampf rauszuhalten. Spitzenkandidat ist eher Rainer Brüderle, eine Art Kultfigur, und zumindest lautstarker Redner. Gleichzeitig hat sich die gesamte Partei zusammengerissen und die Grabenkämpfe öffentlich vollständig eingestellt. So stiegen sie in diesem Jahr in Umfragen auch wieder über die Hürde. Gleichzeitig schüren sie Ängste, dass bei einem schwachen Abschneiden von Schwarz-Gelb, ggf. sogar dem Ausscheiden der FDP aus dem Parlament, Schwarz-Grün oder Rot-Rot-Grün, was ein rotes Tuch für FDP-Klientel ist, am Ende stehen könnte. Damit sollen nicht nur Stimmen für das eigene Lager, sondern zugleich Leihstimmen aus der CDU an die FDP aquiriert werden, was natürlich öffentlich niemand direkt sagt.

Man könnte meinen, nichts wäre schlechter, als keine Strategie. Die SPD hat das allerdings widerlegt. Das ist weniger auf die Schwächen von Peer Steinbrück und seiner Kampagne zurückzuführen, sondern auf die SPD-Führung, die einen Kandidaten gewählt hat, der sinnbildlich für die große Koalition steht, und die (verlorene) Wahl auch verloren gibt – was daran deutlich wird, dass ein Parteikonvent bereits geplant wird, der im Falle Rot-Grün sicher nicht nötig wäre. Zweiter Fehler ist die Ausschließeritis, die ich in einem früheren Beitrag bereits dargestellt habe. Sie zielt offenbar darauf ab, die Wähler davon abzuhalten, die Linkspartei zu wählen, indem man erklärt, diese Stimmen seien „verloren“, weil die SPD ausschließt, mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten. Daran wird deutlich, dass die Strategen der SPD drei Dinge nicht begriffen haben: Es gibt Menschen, die aus Überzeugung und nicht aus Taktik wählen und die Linkspartei wählen, weil sie von SPD und Grünen, vielleicht auch nur von der Ernsthaftigkeit derer Wahlkampfforderungen nicht überzeugt sind. Zweitens hat man nicht erkannt, dass die Linkspartei kein wirklicher inhaltlicher Gegner für die Parteien links der Mitte ist. Anstatt den inhaltlichen Gegner zu bekämpfen, zerfleischt man das linke Lager. Drittens hat die SPD nicht begriffen, dass es nicht damit getan ist, die Linkspartei-Wähler vom Wählen abzuhalten. Die Linkspartei wird, dank ihrer Direktmandate in Ostdeutschland, wohl kaum an der 5-%-Hürde scheitern können. Und die Stimmen, die man der Linkspartei nimmt, fallen nicht automatisch der SPD zu – viel eher entstehen Nichtwähler, die man der Hoffnung auf politische Veränderung beraubt hat. Bei denjenigen, die der SPD nach den Rot-Grünen Koalitionen den Rücken gekehrt haben, dürfte es sich (angesichts der Erfahrung, die sie mit der SPD gemacht haben) zu einem großen Teil um überzeugte Nicht-SPD-Wähler handeln. So hat sich die SPD selbst durch den Ausschluss jeder glaubwürdigen Chance eines Politikwechsels beraubt. Wer sich weigert, eine politische Mehrheit zu nutzen, hat offenbar nur geringes Interesse daran, Sachpolitik zu betreiben. Indem man das dem Wähler signalisiert, demobilisiert man seine eigenen Wähler und Wahlkämpfer.

Dabei hatte die SPD durchaus Chancen, sich inhaltlich zu profilieren: Zwar war sie in den NSU-, Euro-Hawk und NSA-Affären und der jetzt von Wolfgang Schäuble angezündeten Griechenlandpaket-Debatte selbst (wie üblich durch ihre eigene Regierungsarbeit zwischen 1998 und 2009, sowie die Zustimmung zu allen Griechenlandpaketen in der Oppositionszeit) mit beschädigt. Die Wahl von Peer Steinbrück, einem „Schwarz-Roten“ Sozialdemokraten als Kanzlerkandidat, hat sich die SPD dabei aber den ersten Stein in den Weg gelegt. Der Kandidat erfüllte auch alle Träume der Journalisten, indem er anfing, über Weinpreise und Kanzlerkandidaten zu erzählen, anstatt von solch unnützen Debatten zugunsten der eigentlichen Wahlkampagne abzusehen. Im Laufe der Affären – gerade in der NSA-Debatte, in der es zunächst schien, als könnte Angela Merkel selbst beschädigt werden – zerstörte die sozialdemokratische Kakophonie jede Strategie. So machten z. B. Otto Schily mit „Law-and-Order ist ein sozialdemokratischer Wert“ und Frank-Walter Steinmeier mit seiner Fraktionsführung, genauer der Zustimmung zur Rettungspolitik, obwohl seit 2009 klar war, dass die SPD sich gegen die CDU profilieren muss, der jetzigen SPD-Spitzenmannschaft, also Steinbrück und Gabriel sowie Thomas Oppermann im NSA-Fall in die Parade. Diese Strategie, zusammen mit den offenbar nur mit Treibsand zugeschütteten Gräben in der SPD, macht die SPD vollkommen chancenlos bei der Wahl 2013. Auch für 2017 ist noch kein Land in Sicht, weil 4 Jahre für einen Richtungswechsel durchaus knapp, wenn auch ausreichend sind.

Erfolgreicher als die SPD konnten sich die Grünen von ihrer Regierungspolitik verabschieden und ein eher linkes Programm entwickeln. Die grüne Strategie war zeitweise tatsächlich recht erfolgreich, auch wenn man in Teilen von der Schwäche der SPD profitiert. Die Partei erweckt einen geschlossenen Eindruck und ihre Führungsspitze weicht Koalitionsfragen geschickter aus, als die SPD. Anstelle von Koalitionsausschlüssen fährt man die Strategie, unerwünschte Koalitionen als inhaltlich nicht aussichtsreich zu bezeichnen. Damit beantwortet man die Journalistenfragen, hält sich die Optionen trotzdem einen spaltbreit offen und signalisiert inhaltliches, nicht machtpolitisches Interesse an der Regierungsarbeit. Dennoch fallen sie in den Umfragen, was weniger einer schlechten Strategie sondern eher unerfreulichen Debatten, einerseits über die Pädophilen-Problematik in der Parteivergangenheit und andererseits die medial geführte Kampagne zu den Steuererhöhungen, die die Grünen planen.

Die Linkspartei versucht, sich neben der programmatisch linken SPD als glaubwürdige linke Alternative zu profilieren, indem man sich als nötiges Korrektiv für die SPD angesichts der politischen Vergngenheit der SPD bezeichnet. Das ist, weil die SPD zuletzt in der Opposition war, auch wenn sie oft mit der Regierung gestimmt hat, nicht einfach. Dennoch sind sie derzeit eher auf dem aufsteigenden Ast in Umfragen.

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