PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

Zum Auftakt meiner Serie über Aspekte der Coronakrise habe ich über den gegenwärtigen Einbruch der Wirtschaft geschrieben. Bewusst habe ich dabei nur Prognosen in der kurzen Frist, hier das Jahr 2020, thematisiert, und nicht über Zeitpunkt oder Ausmaß einer nachfolgenden Erholung spekuliert, so wie es z.B. der Sachverständigenrat in seinem Zahlenwerk getan hat. Für eine so weitgehende Prognose war und ist die Lage viel zu unklar, trotzdem sollten wir uns auf tiefgreifende Veränderungen unserer Wirtschaftsstruktur einstellen. Jenseits von Prozentwerten und Wachstumszahlen, was wird nach der Krise anders als vorher?

Als das Virus Ende Februar die Börsen erreichte, deren Kurse daraufhin innerhalb eines Monats um mehr als ein Drittel einbrachen, war klar, dass die Pandemie, ebenso wie die „Große Rezession“ von 2008, viele Verlierer an den Finanzmärkten haben wird. Das mag für einen Kritiker der Finanzwelt zunächst wie eine Verheißung klingen, wenn die Vermögen der „Kapitalisten“ schrumpfen, doch der drastische Verlust an Marktwert fast aller Unternehmen ist eine unheilvolle Nachricht für alle: Im Gegensatz zu 2008, als Folge der Wirtschafts- und Geldpolitik seither, ist die Finanzwelt dieses Mal bis zum Bersten vollgepumpt mit Finanzkapital, dass bisher erfolglos nach günstigen Anlagemöglichkeiten suchte. Nicht umsonst ist der Zins, der Preis fürs Geld, seit langem nahe 0. So schrumpften nun zwar die Buchwerte aller Aktienbesitzer, und manche, die verkaufen, realisieren diese Verluste sogar. Doch die Verwalter des wartenden Geldes können nun günstig zuschlagen: Blackrock und co werden sich nun weiter mit Unternehmensanteilen eindecken. Der dramatische, globalisierte Konzentrationsprozess am Eigentum der Unternehmen könnte durch diese Krise weiter an Geschwindigkeit aufnehmen. Geht man nach dem Eigentum, konnte schon vor der Krise bei den Unternehmen im DAX keine Rede davon sein, es handele sich um „deutsche“ Unternehmen, ebensowenig wie es sich bei Unternehmen im Dow Jones nicht mehr um „amerikanische“ Firmen handelt. Der Besitz an den Unternehmen ist global gestreut, doch die Verwaltung des Besitzes in einer Handvoll Vermögensverwalter konzentriert, die sich von staatlichen Strukturen und konventionellen Regierungen längst emanzipiert haben. Sie bilden eine globale Wirtschaftsregierung, denn sie vereinen erhebliche Stimmanteile in den einzelnen Unternehmen mit gewaltiger Marktmacht. Gewählt sind sie nicht von den Bürgern der Welt, sondern den Geldscheinen der Aktionäre. Deren Aktien mögen nun zwar weniger wert sein, doch ihre Wirkung schwillt dennoch an, wenn Blackrock und co die Situation geschickt genutzt haben.

Krisenprofiteure sind auch Lieferdienste und Onlinehandel – allen voran Amazon. Weil die Corona-Verordnungen kleine und große Einzelhändler an den Rand des Ruins – und vielfach wohl auch darüber hinaus – treiben, kommt Amazon dem Ziel einer vollständigen Verdrängung des Einzelhandels in großen Schritten näher. Paketdienste wie DHL befinden sich im Adventszustand und sind völlig überlastet ob der Flut von Päckchen, die Amazon und ein paar kleinere Versandhändler derzeit durch die Gegend schicken. Das wird sich zwar mit dem Lockerungen, die derzeit wirksam werden, wieder etwas abschwächen, doch der entstandene Schaden im Einzelhandel wird allenfalls langsam verheilen können. Die Geschäfte, die nicht durchgehalten haben, werden lange keine Nachfolger finden, denn die Absatzlage für den lokalen Einzelhandel war schon vorher nicht gut, und wird jetzt nicht besser, da der Onlinehandel in gewissem Umfang auch langfristig Marktanteile übernommen hat.

Weder der Machtzuwachs der Finanzverwalter noch der des Onlinehandels sind zwingend – Umbruchzeiten können Sternstunden der Ordnungspolitik sein, wenn der Staat beherzt Monopole und Kartelle zerschlägt, und die Veränderungen der Wirtschaftsordnung aktiv gestaltet. Der Staat könnte auch die Mitbestimmung stärken oder Vermögen besteuern. Von all dem ist schon seit Jahrzehnten nichts zu sehen, doch wenn der Monopolisierungsschritt allzu deutlich wahrnehmbar ist, könnte er schlafende Ordnungspolitiker wecken.

Während man sich mit Ordnungspolitik eher nicht befasst, haben die Bundes- und vor allem Landesregierungen sich entschlossen, mit Überbrückungsmaßnahmen, i.W. Notkredite, Entschädigungszahlungen und Steuerstundungen, einem Zusammenbruch der Unternehmen während des Lockdowns entgegenzuwirken. Insgesamt, wenn auch nicht immer im Einzelfall, sind das sinnvolle kurzfristige Maßnahmen, wo sich jedoch zeigt, dass vor allem Großunternehmen profitieren (Schöne Grüße von der Ordnungspolitik). Für die mittlere Frist wird auch über Konjunkturmaßnahmen, etwa Kaufprämien oder Steuersenkungen, bereits diskutiert oder sind schon in Umsetzung. Auch weitergehende Maßnahmen zur Konjunkturförderung, etwa Investitionsprogramme, wären hilfreich; ich würde so weit gehen, zu empfehlen, das alte „Stabilitäts- und Wachstumsgesetz“ mit seinen Konjunkturpolitischen Instrumenten aus der Mottenkiste zu holen. Doch dazu in einem späteren Beitrag mehr.

Wir dürfen aber gespannt sein, was unsere Regierung tun wird. In der letzten großen Krise, 2007, hat die Bundesregierung zwar zaghaft mit Konjunkturpolitik begonnen, dann aber radikal auf Sparen umgeschwenkt. Das schon anschwellende Gejammer, was die Krise alles koste und dass Einschnitte nötig würden, klingt, als sei eine Wiederholung der Krisenreaktion von 2007 nicht ausgeschlossen. Dabei wäre zu hoffen, dass es anders läuft: Die Furcht vor Staatsverschuldung ist heute genauso unbegründet wie sie es in den vergangenen Krisen war, und die Angst vor Inflation ist regelrecht grotesk. Inflation würde uns helfen, sowohl dabei, das Zinsniveau wieder in normale Sphären zu bringen, die gefürchtete Staatsverschuldung wieder loszuwerden und zumindest manche Vermögen abzuschmelzen. Eine Win-Win-Win-Situation.

Gegenwart