PKEuS' Blog

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Im letzten Artikel habe ich ausgeführt, dass bei einem Stopp der russischen Gaszufuhr es im kommenden Winter wahrscheinlich zu Gasmangel in Deutschland kommen wird. Können wir unseren Gasverbrauch ausreichend reduzieren, um durch den Winter zu kommen?

Der Gasverbrauch in Deutschland entfällt zu etwas mehr als einem Drittel, 37 %, auf die Industrie. Privathaushalte (ohne Fernwärme) verbrauchen 31 %, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen verbrauchten 13 % und der Stromerzeugung dienten 12 %. Auf Fernwärme entfallen 7 %, die zwar durch Haushalte und Gewerbe genutzt werden, jedoch an Industrie und Stromerzeugung gekoppelt sind, da überwiegend Abwärme genutzt wird.

Zunächst werden alle Verbraucher alle kurzfristigen Sparpotentiale ausschöpfen. Die Regierung wird dazu weiterhin aufrufen, aber der wesentliche Hebel ist der Preismechanismus. Dieser wirkt bereits jetzt, da die tatsächlichen Gaspreise bereits deutlich gestiegen sind, und die Erwartung eines weiteren Preisanstiegs bei einem (für Privatleute) nicht lagerbaren Verbrauchsgut auch nicht zu Hamsterkäufen oder einem Vorziehen des Verbrauchs führt. Man kann nicht vorsorglich heizen. Führt man die Zahlen von April und Mai diesen Jahres nicht auf mildes Wetter, sondern auf Sparsamkeit zurück, scheint durchaus Potential vorhanden zu sein. Da derzeit nicht geheizt wird, sind durch Absenkung der Raumtemperatur und Reduktion des Warmwasserverbrauchs für den kommenden Winter weitere Potentiale vorhanden, deren Realisierung allerdings auch ein wenig Lebensqualität nimmt. Bei der Beheizung öffentlicher Gebäude kann der Staat Sparmaßnahmen sogar direkt umsetzen, ohne auf den Preismechanismus hoffen zu müssen. Mittel- und langfristige Sparpotentiale, etwa durch Wärmedämmung oder Modernisierung von Heizungsanlagen lassen sich zum kommenden Winter allerdings nicht heben. Zudem ist davon auszugehen, dass der industrielle Gasverbrauch durch Sparsamkeit kurzfristig kaum zu senken ist, da die Industrie unter Preisdruck auch bislang schon kaum mehr Gas verbraucht haben dürfte, als sie zur Produktion benötigt. Schaffen die Haushalte sowie der Gewerbe- und Dienstleistungssektor, ihren Verbrauch um 10 % zu senken, reduziert sich der Gesamtverbrauch in Deutschland um 4,4 %. Sparsamkeit ist insgesamt die einfachste und unschädlichste Methode zum Gegensteuern, reicht damit aber bei weitem nicht aus, um ohne russisches Gas auszukommen.

Können wir beim Heizen kurzfristig von Gas auf andere Energieträger umsteigen? Eher nicht. Ein kurzfristiger Austausch der Heizungen ist unmöglich und die meisten Gebäude sind nur mit einer Heizung oder Fernwärme ausgestattet. Die Anzahl der noch vorhandenen Kohleöfen ist vernachlässigbar, und die oft vorhandenen Kaminöfen in Einfamilienhäusern dienen überwiegend eher dekorativen Zwecken: Warmwasser können sie nicht erzeugen und sie können nur das Wohnzimmer damit beheizen. Ausreichend Brennstoff dürften außerdem die wenigsten haben, über den erforderlichen Kahlschlag in den Wäldern, Smog-Effekte und Mehrbedarf bei der Feuerwehr möchte ich an dieser Stelle nicht weiter spekulieren. Und wenn wir unsere Wohnungen mit Heizlüftern heizen und Warmwasser mit Wasserkochern erzeugen? Dann hätten wir das nächste Problem.

Nehmen wir also die Stromerzeugung in den Blick. Können wir hier Gaskraftwerke durch andere Energieträger ersetzen? Konventionelle Energieträger machen heute noch immer einen großen Anteil der Energieerzeugung aus. Per „Augenintegral“ im Schnitt etwa die Hälfte. Die starken und unkorrelierten Schwankungen der erneueraren Energien Wind und Sonne sowie des Verbrauchs werden hauptsächlich durch die fossilen Energieträger Kohle und Gas ausgesteuert. In der Spitze wurden im letzten Jahr bis zu 15 GW aus Gas gewonnen, die zu ersetzen wären. Hinzu kommt, dass Stand heute ab Januar 2023 die letzten 4 GW Kernenergie substituiert werden müssen. In Summe also 19 GW. Geht das?

Aus erneuerbaren Energien jedenfalls nicht, da diese entweder nicht regelbar sind, oder, wie Waserkraft und Biomasse, bereits dauerhaft vollausgelastet sind. Stromimporte können nicht als Lösung dienen, da unsere Nachbarländer vor ähnlichen Problemen stehen. Auch bei Braun- und Steinkohle ist davon auszugehen, dass diese gerade in den Spitzenstunden der Erdgaskraftwerke ebenfalls unter hoher Last laufen. Vergleicht man die konventionelle Energieerzeugung mit der installierten Leistung laut Bundesnetzagentur, fällt auf, dass die Kohlekraftwerke viel stärker ausgelastet waren als die Gaskraftwerke, bei denen selbst die 15 GW in der Spitze nur die Hälfte der installierten Leistung sind. Das heißt, unsere Gaskraftwerke waren schon bisher nicht ausgelastet, die Kohlekraftwerke allerdings schon! Allerdings gibt es zahlreiche Kraftwerke, darunter jedoch auch Gasbetriebene, die als Reserve vorgehalten bzw. reaktivierbar wären. Summiert man die die Sicherheitsbereitschaft, Netzreserve und die nur vorläufig stillgelegten, nicht mit Erdgas betriebenen Kraftwerke, kommt man auf 8,1 GW. Allerdings kommen auch Steinkohle und Öl, auf die 6,1 GW hiervon entfallen, zu geringen Teilen aus Russland. Die Versorgung dieser Kraftwerke ist also auch nicht ohne Schwierigkeiten. Lässt man das außen vor, fehlen also noch 11 GW.

Lassen sich die letzten Atomkraftwerke weiterbetreiben? Möglicherweise, jedoch braucht es hierfür Vorbereitungszeit, da einerseits Sicherheitsüberprüfungen notwendig wären, und andererseits für die Kraftwerke kein Brennstoff mehr vorgehalten wird. Manche Betreiber haben jedoch signalisiert, dass eine Verlängerung bis zum Ende des Winters machbar wäre. Nehmen wir also an, das wir die Atommeiler über den Winter bringen – und stellen uns die schadenfrohen Gesichter vor, wenn ein grüner Wirtschaftsminister die Kohleverstromung hochfährt und den Atomausstieg revidiert – dann fehlen uns noch immer 7 GW. Das entspricht etwa der Hälfte unserer Stromerzeugung mit Gas. Anders herum bedeutet das: Wir können etwa die Hälfte unserer Gasverstromung sustituieren und damit weitere 6 % unseres Gasverbrauchs einsparen.

Ohne drastische Konsequenzen sind also etwa 10 % Einsparung des Gesamtgasverbrauchs erzielbar. Weitere Einsparversuche würden mit einer Reduktion unserer Industrieproduktion, Stromausfällen oder dem Ausfall unserer Heizungen einhergehen. Gegenüber den Szenarien des vorherigen Artikels kommen wir damit über den Winter, wenn wir zu 30 % von russischem Gas abhängig sind, auch wenn die Zufuhr bereits im Juli gekappt wird (haben dann aber erstmal nahezu vollständig geleerte Speicher). In den Szenarien mit 55 % Anteil Russlands gewinnen wir durch die Einsparung etwa einen Monat, sodass bei einem Stopp der Zufuhr im November Mitte März, und bei einem Stopp der Zufuhr am 11.07. Mitte Februar das Gas verbraucht ist.

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