PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

Mitte Juli hat das Statistische Bundesamt die monatlichen Inflationszahlen vermeldet – und es gab gute Neuigkeiten: Die Inflationsrate war rückläufig. Doch wenn man weiterliest, ist das Bild doch eher ernüchternd. Das Amt zeigt eine Grafik, die ggü. dem Vormonat nur im Verkehrssektor einen größeren Preisrückgang aufweist. Fast überall sonst sind die Preise weiter gestiegen. Warum sind im Verkehrssektor die Preise gesunken? Weil das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt im Juni in Kraft getreten sind. Welche Wirkung das auf den Verbraucherpreisindex hat, lässt sich mit dem zugrundeligenden Warenkorb ermitteln.

Öffentliche Verkehrsmittel machen etwa 1,5 % des Warenkorbs aus. Das ist zugleich die maximale Inflationswirkung einer Senkung der Ticketpreise: Senkt man diese auf Null, sinkt die Inflationsrate um 1,5 Prozentpunkte. Allerdings dürften – auch wenn das niemand in der realen Welt derzeit tut – weiterhin auch Einzelfahrscheine für den Warenkorb „gekauft“ werden, sodass nur die 1,1 % für Verbundfahrkarten wirksam werden dürften. Der Preis wurde zwar nicht ganz auf Null gesenkt, aber knapp 1 Prozentpunkt Senkung des Verbraucherpreisindexes dürfte das 9-Euro-Ticket bewirkt haben.

Nun der Tankrabatt: Benzin hat einen Anteil von 2,6 % und Dieselkraftstoff einen Anteil von ca. 0,9 % des Warenkorbs. Die Subvention von 29,55 ct/l Benzin entspricht einer Preissenkung um etwa 14 %, und die Subvention von 14,04 ct/l Diesel etwa 7 % – jeweils von einem Preis von 2 €/l ausgehend. Daraus ergibt sich eine deflationäre Wirkung von etwa 0,4 Prozentpunkten. In Summe kommt diese Überschlagsrechnung also auf 1,4 Prozent Senkung des Preisniveaus gegenüber dem Vormonat. Das Statistische Bundesamt weist eine Veränderung von 6,2 % des Preisniveaus im Verkehrssektor aus, da dieser knapp 13 % Anteil am Gesamtkuchen hat, würde das nur 0,8 Prozentpunkte ergeben – woraus ich schließe, dass die Preise im Verkehrssektor im Hintergrund munter weiter gestiegen sind.

Heute vermeldet das Amt, dass die Inflation im Juli nach vorläufigen Daten erneut gesunken sei. Warum? Unterdessen ist noch etwas anderes umgesetzt worden: Die Abschaffung der EEG-Umlage im Juli. Strom hat einen Anteil von 2,5 % des Warenkorbs. Diese betrug 3,72 ct/kWh, ihr Wegfall würde einen bisher üblichen Strompreis 11,3 % senken. Die Maßnahme hat damit eine Deflationswirkung von 0,3 Prozentpunkten. Das könnte den Rückgang erklären, der aber nur 0,1 Prozentpunkte beträgt (ggü. Vormat steht sogar ein Plus in den Zahlen).

Der Witz ist nun: Die Maßnahmen im Verkehrssektor sind befristet bis Ende August. Sollte die Regierung diese nicht verlängern und keine Nachfolgemaßnahmen installieren, würden die Verbraucherpreise im September sprunghaft wieder um bis zu 1,4 % steigen. Außerdem hat die Regierung heute die „Gasumlage“ voran gebracht. Damit sollen die Verluste der Gasversorger, insbesondere die von Uniper, auf die Gasverbraucher umgelegt werden. Das Ministerium erwartet einen Preisaufschlag von 1,5 bis 5 ct/kWh. Da der Gaspreis bisher für Endverbraucher bei durchschnittlich 6,83 ct/kWh lag, würde eine Umlage im mittleren Bereich eine sportliche Preiserhöhung von knapp 50 % bedeuten, mit einmalig 1,2 Prozentpunkten Anstieg der Inflationsrate.

Diese Maßnahmen sind Subventionen, die in erster Linie die sozialen Verwerfungen der Energiepreisschocks abfedern sollen und direkt auf die Endverbraucherpreise wirken. Sie sind damit vergleichsweise zielgerichtet, dennoch gibt es ein Problem: Ihre Wirkung wird dadurch gehemmt, dass sie Kaufkraftverluste verhindern. Deren Eintreten wäre andernfalls nachfragereduzierend und damit inflationssenkend (auch wenn es sozial kaum vertretbar wäre). Viele andere Maßnahmen aus den aktuellen und letzten Entlastungspaketen, wie etwa die Energiepauschale, bewirken sogar garkeine Preisreduzierung, sondern nur eine Kaufkraftunterstützung, oder erzeugen sogar zusätzliche Nachfrage. Das hatte ich Anfang Juli beschrieben.

Für neue kleine Inflationsschübe im September und im Oktober ist also gesorgt. Die große Unbekannte ist aber, wie sich abseits der Politikmaßnahmen die Preise entwickeln. Die Erzeugerpreise weisen derzeit eine Inflationsrate von über 30 % auf. Das ist für die Bundesrepublik historisch einmalig. Der Anstieg ist inzwischen leicht rückläufig (zweite Ableitung!), was aber heißt, dass die Erzeugerpreise (etwas langsamer) weiter steigen. Sollte der Erzeugerpreisanstieg (erste Ableitung) nicht rasch enden, wird er sich in die Verbraucherpreise übersetzen. Das geschieht zeitverzögert und nicht in voller Höhe, da bspw. Mieten (ein Fünftel des Warenkorbs) unmittelbar nichts mit den Erzeugerpreisen zu tun haben. Trotzdem wären kurzzeitig 20 % Inflation der Verbraucherpreise damit denkbar, selbst wenn die Energiepreise nicht weiter steigen.

Gegenwart