PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

Es waren die widerlichsten Bilder seit Jahren, die demokratisch gewählte Parteien der Republik in den letzten Wochen beschert haben: Angefangen mit geifernden Tiraden durch Politiker und manche frühere DDR-Bürgerrechtler im Fernsehen und gesteigert mit Demonstrationen unter Beteiligung von Politikern fast aller Couleur, bei denen vor „blutrot-rot-grün“ gewarnt wurde, gipfelten die Proteste gegen die Rot-Rot-Grüne Landesregierung in Thüringen in Fackelzügen unter Beteiligung von CDU und AfD, die – wenn auch vielleicht unbeabsichtigt – eine pikante rechtsextreme Symbolik haben, da sie beliebtes Propagandainstrument der Nazis waren.

Es ist mehr als nur eine Floskel, dass Demokratie Akzeptanz und Verständnis für den politischen Gegners erfordert. Man mag es für falsch halten, dass in einem demokratischen und verfassungsmäßigen Verfahren zunächst eine theoretische Rot-Rot-Grüne Mehrheit im Parlament gebildet hat. Man mag sich nicht freuen, dass nun eine Koalition von Linkspartei, SPD und Grünen mit einem linken Ministerpräsidenten rechtmäßig von den Volksvertretern im thüringischen Landtag gewählt wurden. Doch wer dies nicht akzeptiert, zeigt, dass er selbst kein Demokrat ist. Dem, der es nicht ertragen kann oder will, dass nun eine andere politische Partei den Ministerpräsidenten stellt, als man sich vielleicht erhofft hat, erklärt, dass Demokratie nur ist, wenn der eigene Wille geschieht. Demjenigen reicht auch ein Einparteienstaat, solange diese Einheitspartei nur die eigene ist.

Vor diesem Hintergrund ist es bezeichnend, mit welchem Eifer die Nachfolgepartei der DDR-Regime-treuen Ost-CDU sich an den Protesten beteiligte. Es mag unredlich sein, der CDU 25 Jahre nach dem Mauerfall vorzuwerfen, die Blockparteien samt Mitgliedern, Infrastruktur und wohl auch Vermögen geschluckt zu haben. Doch wenn die Vertreter jener Partei nahezu einstimmig der Linkspartei ihre SED-Vergangenheit vorwerfen und dieser mit Verve Verfassungsfeindlichkeit vorwerfen, muss man fragen, ob sich – bei Licht besehen – die Vertreter dieser Partei damit selbst desavouieren. Positiv anzurechnen ist der CDU nur, dass Mike Mohring und Christine Lieberknecht nach der heutigen Wahl zu Ramelow gingen und ihm gratulierten. Das ist, gemessen am bisherigen Benehmen der CDU und vieler ihrer Spitzenfunktionäre, fast besser als erwartet.

Bizarr ist auch die These, dass ein Linker nicht Ministerpräsident werden dürfe, und das dies die Opfer des DDR-Regimes verhöhne. Man muss denjenigen fragen, der solche Aussagen absondert, inwieweit es da einen Unterschied macht, ob die Linke nun den Ministerpräsidenten stellt, oder ob sie als Juniorpartner in der Regierung wäre, oder ob sie bloß in der Opposition vor sich hin existiert. Koalitionen mit der Linkspartei als Juniorpartner gab es schon mehrfach. Ist das aus Sicht der Kritiker weniger schlimm? Und verhöhnt nach deren Logik nicht schon die Existenz der Linkspartei die SED-Opfer? Damit spricht man den Linken allerdings das Recht an der Teilhabe an der Demokratie ab, dass Recht darauf, eine politische Meinung zu haben und zu vertreten. Der Linkspartei die Existenz- oder Wahlberechtigung abzusprechen ist genau das, was das DDR-Regime getreu dem Motto „die Partei, die hat immer Recht“ getan hätte, wäre die Linkspartei dort Opposition gewesen. Mit welchem Recht kann man aber in der Demokratie die politische Willensäußerung der 28 % der thüringischen Wähler, die „Die Linke“ gewählt haben, leugnen? Und wenn man bei den politischen Kräfteverhältnissen dann eine Koalition dieser drei Parteien bildet – und die haben nunmal zusammen eine parlamentarische Mehrheit – ist ein linker Ministerpräsident das logische Ergebnis der Wahlergebnisse.

Wer nun gegen die Wahl Ramelows zum Ministerpräsidenten demonstriert oder Fackelzüge veranstaltet, der demonstriert gegen das Parlament und gegen den demokratischen Vorgang ansich. Gezeigt haben die Vertreter von CDU, AfD, sowie jene unter den Kritikern aus SPD und Grünen, die sich völlig undifferenziert an den Protesten beteiligt haben daher, dass sie selbst ihr Demokratieverständnis überdenken sollten. Es ist nicht notwendigerweise falsch, die Rot-Rot-Grüne Koalition zu kritisieren; im Gegenteil, Kritik ist entscheidend für gute politische Ergebnisse. Gerade die DDR, in der eine Partei bestimmte und keine Diskussionen über Politik möglich waren, ist mit ihrem Scheitern ein Beispiel dafür. Doch die Kritik an Ramelows Wahl, die Ergebnis demokratischer Wahlen und Prozesse ist, trifft die Demokratie selbst. Diese Kritik, die u.a. dem Vorwurf mangelhaften Demokratieverständnisses der Linkspartei gründet, ist daher nicht nur wohlfeil, selbstgerecht und unredlich, sondern auch widerlich, weil sie erschreckend an den Untergang der Weimarer Republik erinnert, der auch eine mangelnde Akzeptanz der Demokratie ansich zum Verhängnis wurden.

Der öffentliche Verkehr leidet unter Staus, Lärm, Überfüllung, fehlender regionaler Anbindung, Unzuverlässigkeit und diversen weiteren Problemen. In der Serie „Verkehrspolitik“ möchte ich diese näher untersuchen und Vorschläge machen, wie sie in den Griff zu kriegen sind. In diesem Beitrag soll die Frage untersucht werden, ob eine tarifliche Trennung von Nah- und Fernverkehr, wie sie derzeit umgesetzt ist, sinnvoll ist.

In Deutschland herrscht spätestens seit die Länder zu den Aufgabenträgern des Nahverkehrs geworden sind ein Tarifflickenteppich. Gab es zuvor im Prinzip nur zwei Tarife – den der Deutschen Bundesbahn und den der kommunalen Bus- und Straßenbahnanbieter, existieren jetzt in jedem Bundesland mindestens ein Nahverkehrstarif (oft sogar mehrere parallel) und bundesweit ein Fernverkehrstarif. Innerhalb dieser Tarife gibt es i.d.R. eine Unterteilung in zwei Wagenklassen, sowie im Fernverkehrstarif eine unterschiedliche Preissetzung für IC- und ICE-Züge. Dem Problem der Nahtstellen zwischen den räumlichen Geltungsbereichen wird mit Sonderregelungen für angrenzende Waben entgegengewirkt. Nah- und Fernverkehr sind tariflich getrennt; Es existiert einerseits die Fernverkehrstarife der privaten Unternehmen, d. h. DB Fernverkehr AG und kleinere Konkurrenten, und andererseits die subventionierten Nahverkehrspreise des Staates. Im Verspätungsfall darf zwar ein Nahverkehrskunde den Fernverkehr nutzen, im Regelfall ist dies jedoch nicht erlaubt.

Für einen erheblichen Teil von Fahrten, nämlich vornehmlich solcher über mittlere Distanzen, ist das gegenwärtige Tarifsystem ineffizient: Wahlweise besteht die Möglichkeit, die Distanz für viel Geld in hohem Komfort und geringer Reisezeit, oder für geringes Geld in geringem Komfort und langer Fahrtzeit zu bewältigen. Zwar ist dem, der bereit ist, viel zu zahlen, ohne Frage bereits geholfen; Diejenigen, die weniger zu zahlen bereit sind (oder denen, wie beispielsweise Studenten, ein Ticket des Nahverkehrs kostenlos bereitsteht, das allerdings keine Aufwertungsmöglichkeit bietet und damit quasi verfiele, würde man den vollen Preis des Fernverkehrsticket bezahlen), müssen dafür allerdings zusätzlich zu geringerem Komfort in Kauf nehmen, dass zwar schnellere Verbindungen bestehen, die sie aber nicht nutzen dürfen. Die Ineffizienz dahinter liegt vielleicht nicht auf der Hand, besteht aber in vier Punkten:

Erstens ist es gesamtwirtschaftlich mitnichten effizient oder wünschenswert, wenn durch die hohe Verweildauer, bedingt durch die erhöhte Reisezeit, die nutzbare Kapazität des vorhandenen Wagenmaterials sinkt. Zweitens führt das erzwungen langsame Reisen zum Ausweichen auf Individualverkehrsmittel, was, gerade unter Umweltschutz- oder Überlastungsaspekten, kaum gewünscht sein kann. Drittens ist dem Reisenden, der mehr zu zahlen bereit ist, nichts genommen, wenn weitere Reisende mit dem schnellen Zug mitgenommen werden, sofern es nicht zu Enge im Zug führt, was den Komfort aller beeinträchtigt. Dem kann durch weitere Verbindungen, für die dann offenbar Bedarf besteht, oder durch längere Züge Abhilfe geschaffen werden. Insbesondere profitiert aber sogar die zahlungskräftigere Gruppe derjenigen, die ohnehin Fernverkehr fahren, wenn durch die höhere Auslastung zusätzliche Verbindungen bzw. dichtere Taktungen geschaffen werden können. Viertens gibt es keinen guten Grund, dass der Staat die langsame Nahverkehrsverbindung subventioniert, aber die schnelle Fernverkehrsverbindung nicht. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint es vielmehr paradox, dass die schnelle Verbindung teurer ist als die Langsame. Die höhere Leistung ist unter geringeren (gesamtwirtschaftlichen) Kosten zu erzielen, womit deutlich wird, dass das gegenwärtige System seine Exitenz lediglich Preisdiskriminierung (zweiten Grades) verdankt. Das mag für ein Privatunternehmen ökonomisch sinnvoll sein, nicht jedoch für den Staat bei der Bereitstellung eines öffentlichen Gutes.

Mein Vorschlag ist die Einführung eines einheitlichen, bundesweiten Tarifs (das setzt natürlich eine verstaatlichung des Fernverkehrs voraus). Dieser sollte wie bisher Wagenklassen unterscheiden, um Differenzierung der Komfortansprüche zu ermöglichen, allerdings keine Beschränkungen in der Nutzung von Zügen aufweisen. Allenfalls könnte über eine dritte Wagenklasse nachgedacht werden, wobei die zweite Klasse des Fernverkehrs dann der ersten Klasse des Nahverkehrs entspräche, sodass Fahrgäste mit Fahrkarten der dritten Klasse keine Fernverkehrszüge nutzen könnten. In diesem Fall muss aber die Preissetzung so erfolgen, dass die neue zweite Klasse für jedermann erschwinglich ist und die dritte Klasse dabei nicht wirklich als „Sparmodell“ für Langstrecken taugt (um die beschriebenen Ineffizienzen nicht erneut zuzulassen). Dies ließe sich erreichen, indem der Preis für eine Fahrkarte dritter Klasse stärker mit der Distanz steigt als in den oberen Klassen. Für Kurzstrecken wäre diese dritte Klasse dann ideal, für längere wäre es die erste oder zweite.

Gravierend verändern würde ein solches Tarifsystem das Liniennetz. Als Ersatz für die 2006 eingestellten InterRegio-Züge (die Fernverkehr darstellten) haben sich einige länger laufende Linien mit recht geringer Haltefrequenz etabliert. Die InterRegio-Express-Linien (IRE) sind dabei das naheliegendste Beispiel, aber auch zahlreiche Regional-Express-Linien erfüllen eher die Charakteristika von Fernverkehrszügen, kombiniert mit dem „Charme“ einer S-Bahn. Derartige Verbindungen würden überflüssig, da die Kunden die regulären Fernverkehrslinien nutzen können und werden. Entsprechend müsste das RE/IRE-Liniennetz erheblich ausgedünnt werden, zugunsten einer Verstärkung von IC-Linien, gegebenenfalls auch durch neue IR-Linien. Für zahlreiche Fahrgäste verbessert sich ingesamt die Lage: Für Kunden „echten“ Nahverkehrs, d. h. auf Kurzstrecken, würde sich zumeist nichts ändern, lediglich wenige kleine Durchgangsbahnhöfe, die derzeit von RE-Linien angefahren werden, aber keine adäquaten Fernverkehrshalte sind, könnten eine Verschlechterung der Anbindung erfahren. Bestehende Fernverkehrskunden müssen zwar u.U. höhere Zugauslastungen in Kauf nehmen, das verdichtete Fernverkehrsnetz kann dies jedoch kompensieren, kombiniert mit den Vorteilen besserer Anschlussverbindungen durch dichtere Takte. Zahlreiche Nahverkehrskunden könnten erhebliche Zeitvorteile auf mittleren Distanzen erzielen. Als sekundärer positiver Effekt würde eine Vereinheitlichung des Tarifsystems dessen Verständlichkeit erhöhen und den Verwaltungsaufwand reduzieren.

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