PKEuS' Blog

über Welt-, Politik- und Wirtschaftsgeschehen

Am 24.09.2017 wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Im Endspurt vor der Wahl werde ich mich (wie schon 2013) wöchentlich zu Wort melden, Bilanz der ablaufenden Legislaturperiode ziehen und einen Ausblick auf die Wahl und die Zeit danach geben. Heute, im letzten Beitrag vor der Wahl, möchte ich noch ein paar letzte Bemerkungen loswerden, bevor ich dann in ein bis zwei Wochen das Wahergebnis kommentieren werde.

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle über die Strategie der SPD schreiben – musste aber feststellen, dass ich vor vier Jahren bereits das meiste geschrieben habe, was es dazu zu sagen gibt. Wie schwerwiegend das Fehlen einer glaubwürdigen inhaltlichen Orientierung und einer realistischen Machtperspektive ist, kann ich nur noch einmal betonen. Gebessert hat sich daran, wie schon damals befürchtet, seither nichts, trotz der zwischenzeitlichen Annäherung zwischen Linkspartei und SPD. Bei der SPD gilt, dass jeder, der sich eine Rückkehr zu einer sozialdemokratischeren SPD wünscht, diese 2017 nicht wählen darf! Jedes Prozent für die SPD trägt dazu bei, dass die sich für ihre Arbeit auf die Schulter klopfen. Das jetzige Spitzenpersonal der SPD – und damit ist nicht nur Martin Schulz gemeint, sondern auch Gabriel, Nahles, Oppermann, Scholz, Heil, usw. – ist nicht geeignet, die SPD wieder auf Kurs zu bringen. Nur ein schlechtes Wahlergebnis der SPD kann dazu beitragen, einen Kurswechsel der Partei zu bewirken. Zugleich trägt es auch dazu bei, die SPD davon abzuhalten, erneut an einer Großen Koalition teilzunehmen. Wer strategisch wählen will, um eine Große Koalition zu verhindern, darf nicht die großen Parteien wählen, denn das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass diese die einzige denkbare Zwei-Parteien-Koalitionsmöglichkeit wird.

Zum Abschluss möchte ich dann noch auf die AfD eingehen. Das in der Öffentlichkeit gezeichnete Bild der AfD und ihres Spitzenpersonals grenzt oft an Verleumdung und liefert den unübersehbaren Beweis, dass die AfD mit manchen Vorwürfen gegen die Medien im Kern richtig liegt: Es läuft eine mediale Hetzkampagne gegen eine Partei, die von den meinungsführenden Medien als Gefahr für die von ihnen gehegte und gepflegte Welt wahrgenommen wird. Wenn jede kontroverse oder flapsige Bemerkung eines AfD-Politikers zur Staatsaffäre hochgeschrieben wird, dann betreiben die selbsternannten Verteidiger der Meinungsfreiheit bloß noch die Verteidigung der eigenen Meinung mit allen Mitteln. Es ist nicht bloß ein Detail von Meinungsfreiheit, dass man flapsige Bemerkungen machen darf, ohne hinterher öffentlich gelyncht zu werden – es ist ihr Wesenskern. Es muss aber gesagt werden, dass die AfD nicht die erste und nicht die einzige Partei ist, die von den großen Zeitungen mit derartigen Mitteln bekämpft wird: Auf der anderen Seite des politischen Spektrums läuft seit Jahren eine vergleichbare Kampagne gegen die Linkspartei, und vor allem die derzeitige Spitzenkandidatin Wagenknecht, deren öffentliche Äußerungen – egal wie harmlos – auch gerne einen Sturm medialer Entrüstung lostreten. Wer ernsthaft glaubt, durch solche Kampagnen der AfD zu schaden, oder gar glaubt, die Freiheit zu verteidigen, ist mit Blindheit geschlagen. Ebenso dumm ist im übrigen der bereits jetzt erkennbare Versuch, die AfD im nächsten Bundestag daran zu hindern, an der parlamentarischen Arbeit gleichberechtigt entsprechend der Mehrheitsverhältnisse teilzunehmen. Wer öffentlich darüber spekuliert, dass man die Büros von AfD-Abgeordneten ja irgendwohin abschieben könne, weil im Reichstag kein Platz sei (nach der gleichen Logik müsste man die FDP-Fraktionsbüros dann auch auslagern), wer plant, der AfD den Vorsitz des Haushaltsausschusses zu verwehren, der ihr nach allen bisherigen Gepflogenheiten in dem Fall zustände, dass sie zur Oppositionsführerin würde (hat man bei der Linkspartei am Anfang dieser Legislaturperiode übrigens erfolglos auch versucht), wer spekuliert, die Geschäftsordnung des Bundestags zu ändern, damit die AfD keinen Parlamentsvizepräsidenten kriegt, zeigt, dass er selbst nichts von Demokratie verstanden hat. All diese Überlegungen hat es gegeben, und zwar nicht bloß in Hinterzimmern, sondern vor den Augen und Ohren der Öffentlichkeit. Angesichts dessen kann ich verstehen, dass jeder, der sich von derlei politischen Aktivitäten abgestoßen fühlt, mit dem Gedanken spielt, bloß aus Protest dagegen AfD zu wählen.

Die AfD ist weder eine Gefahr für die Demokratie, noch für unsere verfassungmäßige Ordnung. Zugleich bin ich aber davon überzeugt, dass viele Positionen der AfD von Ignoranz, Dummheit und Menschenfeindlichkeit zeugen. Den Klimawandel zu leugnen mag in manchen Kreisen gerade en vogue sein, zeugt aber nicht von einem kritischen Geist, sondern davon, dass man über offensichtliche Umweltschäden und zahllose anderslautende wissentschaftliche Belege ignorant hinweggeht. Flüchtlingen die Schuld dafür zu geben, dass es vielen Menschen in Deutschland wirtschaftlich schlecht geht, verkennt, dass das vor der Flüchtlingskrise schon genau so war – ohne dass es da eine AfD gab, die sich darum geschert hätte. Wer glaubt, dass ein Ausbau des Sicherheitsapparats das Wohlbefinden der Menschen in Deutschland, egal ob In- oder Ausländer, steigert, hat nichts aus Gestapo und Stasi gelernt. Und wer eine Verrohung der Sitten in Deutschland beklagt, sollte nicht vergessen, dass einige Vertreter der AfD selbst einen politischen Stil pflegen, der mit „roh“ noch freundlich umschrieben wäre. Die AfD ist nicht von politischer Weitsicht, sondern von einem kleingeistigen und irrationalen Weltbild getrieben. Ihr einziges politisches Konzept ist, als Reaktion auf allen Unbill der Welt Strafen, Überwachung, Vergeltung und Abschottung zu fordern, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob sich damit das zugrundeliegende Problem überhaupt lösen lässt. Wer mit dem Gedanken spielt, dieser Partei seine Zweitstimme zu geben, sollte sich darüber bewusst sein, was diese Partei und die hinter ihr stehende Bewegung verkörpert, und ob er dem zusätzlichen Schwung verleihen möchte.

Am 24.09.2017 wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Im Endspurt vor der Wahl werde ich mich wöchentlich zu Wort melden, Bilanz der ablaufenden Legislaturperiode ziehen und einen Ausblick auf die Wahl und die Zeit danach geben. Aus dem politischen Stimmungsbild in Deutschland von letzter Woche lassen sich Schlussfolgerungen auf den Ausgang der Wahl und die Bildung der nächsten Regierung ziehen. Daher möchte ich an dieser Stelle eine Prognose wagen, wie die Wahl ausgehen wird (wobei mir natürlich die aktuellen Umfragewerte bekannt sind).

Stärkste Fraktion wird die Union werden – daran besteht kein Zweifel. Ihr Wahlergebnis wird vermutlich knapp unter 40 % liegen – darum sage ich: 38 %. Damit würden CDU und CSU zwar drei Prozentpunkte verlieren, könnte sich aber dennoch als Sieger fühlen – 2013 war ihr Ergebnis von mehr als 40 % vor allem der Schwäche der FDP geschuldet. Personell gibt es daher auch keinen Grund, dass sich bei CDU oder CSU viel ändert.

Die SPD wird ihr drittes Wahldebakel in Folge erleben – nur 23 % (wie 2009, das bisherige Rekordtief) traue ich ihr zu. Zentraler Grund für die insgesamt seit Jahren schwachen Ergebnisse unter 30 % ist natürlich noch immer die Regierungspolitik unter Gerhard Schröder und die Aktivitäten der ersten Merkel-Regierung 2005 bis 2009; Auslöser für das auch gegenüber 2013 schlechtere Ergebnis ist die fehlende inhaltliche Überzeugungskraft ihres Spitzenpersonals und fehlender Wille und Perspektive zur Macht. Dieses Mal ist der Spitzenkandidat so schwach, dass er sogar im Vergleich mit Angela Merkel im TV-Duell schlecht aussah. Mit dem Gejammer über den Stil seiner Konkurrentin hat sich Martin Schulz keinen Gefallen getan; Wehleidigkeit wurde politisch noch nie belohnt. Für das Spitzenpersonal stünde es mit den 23 % Spitz auf Knopf: Wird es schlechter, wird Schulz entgegen seiner Ankündigung als Parteivorsitzender zurücktreten, um Olaf Scholz oder Andrea Nahles Platz zu machen. Ansonsten könnte er den Fraktionsvorsitz übernehmen, so wie schon Steinmeier 2009 nach seiner Niederlage die Fraktion gekapert hat.

Die AfD wird in den Bundestag einziehen, allerdings wohl nicht mit dem von ihr selbst erhofften zweistelligen Ergebnis. Die Chancen, die drittgrößte Fraktion bilden zu können, stehen gut: Ich rechne mit 9,5 %, weil sie das durchaus große Mobilisierungspotential am rechten Rand zwar nicht mehr vollständig ausschöpfen kann, wo die akute Phase der Flüchtlingskrise vorbei ist, aber ihre Kernwählerschaft geschlossen zu der Partei steht. Wäre neben der Flüchtlingskrise auch noch die Eurokrise akut, käme sie locker auf 15%.

Der FDP wird die Rückkehr in den Bundestag gelingen, und dabei möglicherweise sogar stärkste der vier kleinen Parteien werden. Meine Vermutung ist, dass sie 9 % erhalten und ein furioses Comeback feiert. Eine gute Erklärung habe ich dafür nicht, weil ich das Wählerpotential der FDP insgesamt für ziemlich klein halte. Sollte die FDP in Regierungsverantwortung kommen, wird ihr Stimmungshoch schnell verflachen.

Die Linkspartei hat – auch auf Gesamtdeutschland bezogen – eine recht stabile Wählerbasis, mit der sie in den Bundestag einziehen wird, trotz der Schockstarre, in der sich ein Teil ihres Klientels befindet. Ihre Stellung als drittstärkste Fraktion zu behaupten wird schwer, aber möglich. 9 % wären kein schlechtes Ergebnis, aber Feierlaune erzeugt es nur, wenn man dabei drittstärkste Fraktion bliebe.

Auch die Grünen werden im Bundestag landen, allerdings erneut mit einem für sie schlechten Ergebnis. Sie treten mit einem völlig unmöglichen Spitzenduo an, zwei Realos, von denen eine, Katrin Göring-Eckart schon 2013 eine Bundestagswahl als Spitzenkandidatin verloren hat. Ich gehe von 7 % aus, da ein großer Teil der Unterstützerschaft, nämlich der linke Flügel der Grünen, sie dieses Mal kaum noch wählen wird.

Damit ergäbe sich in meiner Prognose ein Bundestag mit 6 Parteien; ein Novum und Kontrast zum gegenwärtigen 4-Parteien-Parlament. In jedem Fall wird es nicht wieder eine so winzige Opposition geben wie gegenwärtig. Rechnerisch möglich und politisch denkbar wären Koalitionen aus Union und FDP (knapp, reicht vermutlich nicht), Union und AfD sowie natürlich Union und SPD – die CDU wird also in jedem Fall mit Angela Merkel als Kanzlerin an der Regierung bleiben. Die Grünen haben nur über „Jamaika“ eine Chance auf Regierungsämter, die aber wohl nur auf dem Papier besteht. Auch wenn der Kanzlerin wohl eine erneute große Koalition nahe liegt, wird sie sicherlich nicht erste Wahl sein – dafür war die bisherige Regierung zu problematisch. Mit der AfD wird unter einer Kanzlerin Merkel keine Zusammenarbeit möglich sein, und die AfD wird auch generell nicht bereit sein, in eine Regierungskoalition einzutreten. Mit den Grünen wird die Basis von CDU und vor allem CSU nicht zusammen gehen wollen. Daher gehe ich von einer neuen Schwarz-Gelben Regierung ab 2017 aus, wenn es dafür reicht – sonst wird es ein Dilemma geben: Die SPD – und vor allem die Basis – wird wenig Lust verspüren, die „GroKo“ fortzusetzen. Ich wage daher keine Prognose, ob es dann wieder Schwarz-Rot gäbe, oder eine Minderheitsregierung Merkel. Ich würde der SPD dann zu letzterem raten.

Einer CDU-FDP-Regierung würde Merkel weiter vorsitzen und Schäuble bleibt Finanzminister. Die FDP wird stattdessen die Schlüsselressorts für Wirtschaft und Äußeres beanspruchen, und ersteres mit Christian Lindner besetzen. Auch die CSU lechzt nach einem Schlüsselministerium, sodass Joachim Herrmann das Innenministerium bekommt. Ursula von der Leyen würde vermutlich ins Arbeitsministerium zurückkehren. Thomas de Maizière könnte in das Verkehrsministerium abgeschoben werden.

In einer neuen großen Koalition blieben viele in ihren alten Ämtern: Merkel sowieso, und Schäuble bliebe Finanziminister, obwohl die SPD gut beraten wäre, das zu verhindern. Heiko Maas würde weiterhin im Justizministerium marodieren, Andrea Nahles bliebe an Ort und Stelle und auch diverse Ressortchefs der kleineren Ministerien blieben. Die CSU bekäme auch in dieser Koalition das Innenmisterium für Joachim Hermmann. Thomas de Maizière ginge leer aus. Martin Schulz würde Außenminister und Sigmar Gabriel übernähme den Fraktionsvorsitz der SPD.

In einer Minderheitsregierung, so sich die FDP daran nicht beteiligt, könnte die Union alle Ministerien besetzen, sodass viele Leute dort mit Ämtern versorgt werden können. Allerdings würden in diesem Fall Neuwahlen nur eine Frage der Zeit sein.

Am 24.09.2017 wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Im Endspurt vor der Wahl werde ich mich wöchentlich zu Wort melden, Bilanz der ablaufenden Legislaturperiode ziehen und einen Ausblick auf die Wahl und die Zeit danach geben. Nachdem ich letzte Woche die Arbeit der Bundesregierung kommentiert habe, verdient nun die politische Gesamtsituation in Deutschland einer Betrachtung.

Lange Zeit hat die Flüchtlingskrise die Politik dominiert, doch inzwischen ist der zeitliche Abstand zu deren Höhepunkten so groß, dass andere Themen in den Vordergrund treten konnten; vergessen ist das Thema jedoch nicht. Die Debatte wird gegenwärtig bestimmt von Dieselskandal, während die Diskussion um den G20-Gipfel in Hamburg bereits wieder abgeklungen ist und Terrorismus nur noch unterschwellig mitklingt. Die außenpolitische Debatte wird von Nordkorea und der Türkei dominiert; im Hintergrund schwingt mediale und politische Feindlichkeit gegen Russland und einer breiten Abscheu gegenüber dem neuen amerikanischen Präsidenten Trump und seiner Administration mit.

Unsere Zeit ist geprägt von einer innerhalb weniger Jahre entstandenen innenpolitischen Polarisierung. Nach vielen politisch langweiligen Jahren merkelscher Alternativlosigkeit stehen sich plötzlich – grob umrissen – drei Fraktionen gegenüber, zwischen denen kaum noch ein konstruktiver politischer Diskurs möglich ist. Es handelt sich um einen rechts-konservativen Block, eine große Zahl von Neoliberalen und eine versprengte Gruppe von Linken. Diese Konfliktlinien werden durch das Parteienspektrum und die Medienlandschaft nur schlecht abgebildet, auch wenn sich viele Parteien und Medien ein und demselben der Blöcke zurechnen lassen. Jede einzelne Gruppe fürchtet die beiden anderen wie der Teufel das Weihwasser, und jede Gruppe beansprucht für sich, für die breite Masse, gerne als „Mitte“ oder „schweigende Mehrheit“ bezeichnet, zu sprechen.

Der neu-rechte Block hat sich um AfD und Pegida herum gebildet, und hatte seine Initialzündung nicht in der Flüchtlingskrise, sondern bereits in der ersten Eskalation der Eurokrise 2012. Erst mit der Flüchtlingskrise haben sich jedoch die Konturen geschärft und die Bewegung eine wirkliche Dynamik entwickelt. Neben der Abkehr von Europa fordern sie, gegen Zuwanderung vorzugehen, schärfere sicherheitspolitische Maßnahmen und vor allem mehr Polizei. Während sie einen starken Sicherheitsstaat fordern, fürchten sie zugleich jegliche Aktivitäten des Staats in wirtschaftlichen Belangen. Besteuerung sehen sie als Bevormundung und als den Versuch der anderen politischen Lager, sich auf ihre Kosten zu bereichern. Insoweit bestehen Parallelen zur Tea-Party-Bewegung in den USA. Gewettert wird gegen eine vermeintliche Okkupation „ihres“ Deutschlands durch „Linke“, „Schwule“, „Gutmenschen“ und/oder „Ausländer“, und den Vertretern der anderen Gruppen wird unterstellt, allesamt Schmarotzer zu sein, die ihnen auf der Tasche lägen. Linke und Ausländer werden wahlweise auch pauschal als Terroristen beschimpft. Während sie für sich selber fordern, alle ihre Meinungen, Behauptungen und Überzeugung umfassend öffentlich kundtun zu können, sprechen sie den in ihren Augen „Linken“ die Bürgerrechte ab, oft verbunden mit der Idee, das Recht auf freie Meinungsäußerung oder demokratische Partizipation an Steuerzahlung oder Arbeitsleistung zu koppeln.

Neben der AfD sind Teile der CSU und Einzelne aus der CDU den Neu-Rechten zuzuordnen. Medial finden sie überwiegend negative Resonanz, was die Reihen der Rechten gegenüber der „Lügenpresse“ geschlossen hat. Keines der großen Printmedien steht dieser Fraktion nahe, allenfalls bei der Online-Präsenz des Focus werden ihre Meinungen in Teilen vertreten. Dafür artikuliert sich diese Gruppe sher meinungsstark in den Diskussionsforen der sog. „Qualitätsmedien“ und zahlreichen alternativen Online-Publikationen und prägen das Diskussionsklima im Netz. Angesichts klar fehlender politischer Mehrheiten für ihre Interessen – die AfD ist bisher nichtmal im Bundestag – und einer Häufung von ihnen zuwider laufenden politischen Entscheidungen in Euro- und Flüchtlingskrise ist das Bewusstsein dieser Gruppe geprägt von Hass auf die anderen politischen Lager, insbesondere jedoch die gegenwärtige Regierung, was diesem Lager die Mobilisierung einfach macht.

Eine politische und mediale Vormachtstellung genießt die Gruppe der Neoliberalen, vertreten durch CDU, SPD, FDP und Grüne, repräsentiert durch alle Print- und Fernsehmedien. Das Meinungsspektrum dieser Gruppe ist vergleichsweise breit, es reicht beispielsweise im Hinblick auf die Flüchtlingskrise von „Refugees welcome“ über „Wir schaffen das“ bis hin zur Forderung nach Selektion der Flüchtlinge nach Qualifikation. Aber diese zur Schau getragenen Positionen sind bloß Meinungen, hinter denen wenig Überzeugung steckt. Die einzige Überzeugung, die diese Gruppe hat, ist, dass sich jeder selbst am nächsten ist – und vielleicht, dass man bloß niemandem auf die Füße treten darf (was politisch korrekt und damit gesellschaftlich legitim ist, definieren sie zusammen mit ihrer Medienmeute selbst). Nachdem sie ihre Vormachtstellung lange Zeit durch die Illusion abischern konnten, ihre Politik sei „alternativlos“, sind die Neoliberalen zuversichtlich, ihre Stellung sichern zu können, trotz des Erstarkens eines neuen Gegners von rechts. Eine Auseinandersetzung mit den Gegnern suchen sie angesichts ihrer Stärke nicht, sondern diffamieren ihre Gegner wahlweise als „linke Spinner“, „Ewiggestrige“, „Verschwörungstheoretiker“ oder „Nazis“.

Die Linken (man könnte sie auch als „Sozialisten“ bezeichnen) dürften die kleinste der drei Gruppen darstellen. Politisch vertreten werden sie durch große Teile der Linkspartei und den Resten des linken Flügels der SPD, während die derzeitigen Grünen sich von diesem Millieu vollständig gelöst haben. Medial finden sie wenig Plattform in den Printmedien, dafür sind sie durch einige Online-Publikationen und Blogs vertreten. Formiert hat sich diese Gruppe als Reaktion auf die Rot-Grüne Regierungspolitik ab 1999 und hat sich in der Eurokrise noch einmal erneuert. Als die Gruppe, die in Deutschland die Neolibralen bereits am längsten zu bekämpfen versucht, ist das Bewusstsein geprägt von Resignation und dem Gefühl, nichts erreicht zu haben. Man klammert sich oft an die Hoffnung, der eigene Einsatz habe „Schlimmeres“ verhindert, was weder als Motivation für sich selbst, noch zur Mobilisierung von Unterstützern taugt. Das Erstarken der Rechten um Pegida und AfD herum als dritter Kraft hat sie entsetzt, zumal die Neoliberalen ihnen nun öffentlich vorwerfen, sich den Rechten inhaltlich anzubiedern, wenn sie die Regierung kritisieren. In dem Zustand werden von dieser Gruppe absehbar keine politischen Impulse ausgehen.

Nun kann man aus dieser Gesamtlage Schlüsse auf die kommende Wahl ziehen: Unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen in der Bevölkerung haben die Neoliberalen eine große politische Mehrheit und erhalten enormen Rückenwind aus der publizistischen Öffentlichkeit. Eine Regierung, die nicht aus diesem Millieu entspringt, egal ob links oder rechts, ist damit äußerst unwahrscheinlich und stünde gegenüber der medialen Öffentlichkeit von vornherein mit dem Rücken zur Wand. Darauf aufbauend möchte ich nächste Woche eine Prognose für den Ausgang der Wahl und die anschließende Regierungsbildung wagen.

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